nd-aktuell.de / 13.03.2013 / Brandenburg / Seite 10

Tore sind nicht alles

Morgen beginnt das 11mm-Fußballfilmfestival im Kino Babylon

Stephan Fischer

Wenn Jubiläen oder runde Geburtstage anstehen, kommt man um den Blick zurück kaum herum. Auch der Fußball macht hier keine Ausnahme - die Bundesliga befindet sich in ihrer 50. Saison, im Sommer dieses Jahres wird sie ein halbes Jahrhundert alt. Es wird Bilanz gezogen: Wer war schlechtester Bundesligist aller Zeiten? Ist das immer noch Tasmania aus Berlin oder doch Greuther Fürth? Die Zuschauer werden sich vor Rückblicken, Galas und gut abgehangenen Anekdoten kaum retten können. Immer wieder wird der Pfosten auf dem Bökelberg brechen, werden die Bayern diverse Meisterschalen in die Höhen recken oder sich Urgesteine und »Kinder der Bundesliga« über alte Schlachten und ewig junge Duelle auslassen.

Auch die Initiatoren des 11mm- Fußballfilmfestivals, das vom 14. Bis 19. März im Kino Babylon stattfindet, können sich dem Sog des Liga-Jubiläums nicht entziehen. So steht die Eröffnung des Filmfestivals ganz im Zeichen der höchsten deutschen Spielklasse: Heribert Faßbender wird moderieren, ehemalige Bundesligaspieler wie Olaf Thon, Klaus Fischer oder Axel Kruse gekonnt, vielleicht schon routiniert, über Erfahrungen im Fußball-Oberhaus parlieren. An Bundesliga-Prominenz wird es nicht mangeln.

Das Berliner Fußballfilmfestival ist bei seiner zehnten Auflage keine Nischenveranstaltung mehr, von einer »spleenigen Idee« weniger Enthusiasten, so beschreibt es Birger Schmidt von der Festivalleitung, ist es zu einem etablierten Bestandteil der Fußballkulturlandschaft geworden. Dies bezeugt nicht zuletzt die Förderung durch die DFB-Kulturstiftung, einer 2007 gegründeten Stiftung unter dem Vorsitz des ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger. Diese will, nach eigener Darstellung, Angebote »für ein neues Publikum« machen, »für das der Fußball und seine Geschichte mehr ist als ein 1:0«.

Die Förderung des 11mm-Festivals liegt auf der Hand, soll doch dort Fußball »von der charmanten Seite« gezeigt werden, nicht so bierernst und ohne die Aufgeregtheit der täglichen Berichterstattung. Mit dem Eröffnungsabend sollte dem Ligajubiläum genug Ehre erwiesen sein, das Publikum sich wieder ganz der wahren Bestimmung eines Filmfestivals hingeben können: Durch Filme über den eigenen Tellerrand zu schauen, Neues zu entdecken und sich inspirieren zu lassen.

Von Spielern etwa, deren Ruhm sich nicht allein auf Tore und Spielkunst gründen wie in »Rebellen am Ball« (Les rebelles du foot): Hier erzählt der Franzose Eric Cantona, der von den Fans des englischen Rekordmeisters Manchester United zum Spieler des Jahrhunderts gewählt wurde, von Kickern, die ihre Prominenz im Kampf gegen politische Missstände nutzen. Er zeigt Brasiliens Spieler Socrates im Kampf gegen die Militärdiktatur oder den Chilenen Carlos Caszely, dem es wegen Kritik am Regime Pinochets zeitweise verboten war, im Andenland Fußball zu spielen. Das filmische Porträt beweist, dass sich Profifußball und politische Mündigkeit nicht ausschließen müssen.

Die unterschiedlichen Fußballstile Südamerikas haben viele Freunde in Europa gefunden, die Kunst des Geschichtenerzählens ebenfalls. Beides zusammen ergibt eine unschlagbare Kombination, zu bestaunen in »The lost world cup«, einer argentinisch-italienischen Koproduktion, die beim 11mm-Festival zum ersten Mal in Deutschland gezeigt wird. Dieser Film klärt endlich auf, warum die Fußball-Weltmeisterschaft 1942 in Patagonien bis heute »das vergessene Turnier« genannt wird. Warum der Begriff »Wasserschlacht« den Beteiligten des Endspiels dieser WM nur ein müdes Lächeln auf die Lippen bringt. Und wer denn nun gewonnen hat. Nach diesem Film muss die Fußballgeschichte neu geschrieben werden! Oder haben sich Gary Lineker und Roberto Baggio etwa für ein modernes Märchen einspannen lassen?

Beide Filme sind nominiert für den Zuschauerpreis »Goldene 11«. Zum zehnten Jubiläum des Festivals soll daneben eine Jury den »Besten Fußballfilm aller Zeiten« bestimmen. Eine kaum zu lösende Aufgabe, gehen doch in einem Jahr drei Mal mehr Filmeinsendungen beim Festival ein, als überhaupt gezeigt werden können. Aber zu Jubiläen gehört es nun einmal, Bilanz zu ziehen. Und ewig bricht der Pfosten auf dem Bökelberg.