Gutes kommt von unten

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 2 Min.

Als der Sozialdemokrat Gerhard Schröder 2003 die Agenda 2010 durchsetzte, tischte Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch auf seine brutalstmögliche Weise ein milliardenschweres Kahlschlagpaket auf - und brachte Gewerkschaften, Sozialverbände, Lehrer, Eltern, Schüler und Studierende gegen sich auf. Bestandteil war die Tarifflucht aus der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband Tarifgemeinschaft der Länder (TdL). Nach der Rückkehr Berlins in die TdL ist Hessen das einzige Land außerhalb der Flächentarifs. In der anlaufenden Bewegung für einen neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes (TV-H) mit der TdL hoffen hessische Gewerkschaften auf Anschluss an die Standards in anderen Ländern im Sinne des jüngsten Potsdamer Tarifabschlusses.

Aber von nichts kommt nichts. Die nächste Verhandlungsrunde ist im April, eine Warnstreikwelle ist möglich. ver.di befürchtet, dass die CDU-FDP-Landesregierung den Jahresurlaub für die Landesbediensteten auf 26 Arbeitstage senken will. Bald schon soll dies einzelvertraglich für die Schwächsten gelten, nämlich bei Neueinstellungen, bei der Übernahme von Auszubildenden und bei Anschlussverträgen für bisher befristet Beschäftigte. Die Gewerkschaften hingegen fordern mindestens 30 Tage für alle.

Neben einer spürbaren Einkommenserhöhung liegen den Beschäftigten auch berufsspezifische Ungerechtigkeiten am Herzen. Hessens Beamte seit 2003 eine 42-Stunden-Woche, gefordert werden 40 Stunden. An den Staatstheatern gibt es zwei Klassen von Beschäftigten in einem Betrieb - mit erheblichem Einkommensgefälle und unterschiedlichen Arbeitsbedingungen: Die nach einem Dumpingtarifvertrag im »künstlerischen« Bereich tätigen Beschäftigten verdienen deutlich weniger und müssen deutlich länger arbeiten als die Kollegen unter dem TV-H; An Hessens Schulen arbeiten 6000 Lehrkräfte als akademisches Prekariat; Waldarbeiter und Feuerwehrleute wollen ihre Knochenarbeit besser honoriert sehen.

Diese Zustände können vor der Landtagswahl im September die Wechselstimmung verstärken. Beschäftigte und Gewerkschaften sind indes gut beraten, wenn sie den Druck von unten verstärken und nicht passiv auf das Gute von oben warten.

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