Trippeln in die Tragödie

Kirsten Dene 70

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Kirsten Dene: Eine der Frauen um John Gabriel Borkman in Ibsens gleichnamigen Stück, inszeniert von Thomas Ostermeier an Berlins Schaubühne: in lakonisch herausgepresstem Hass verhärtet; sie hockt, wo immer sie sitzt oder steht, gleichsam in Frontgräben der Unversöhnlichkeit und des grenzenlosen Verlassenseins; aus einem Gesicht wurde eine Mauer, die keine Augen, keinen Mund hat, sondern Schießscharten.

Eine der Titelgebenden in Thomas Bernhards Bruder-Schwestern-Drama »Ritter Dene Voss«, von Claus Peymann an Wiens Burg zum Theaterklassiker inszeniert: Das Violett ihres Kleides setzt leuchtend das verschossene Samttapetenrot jenes Luxuskäfigs fort, in dem sie - der Bruder, ein Philosoph in der Irrenanstalt, kam zu Besuch - pikiert Soßen ausschenkt und verstört Geschirr-Scherben aufliest. Das Glück der Glucke oder: die Barbarei der üppigen Fürsorglichkeit. Die Dene spielt in herzzerreißender Komik die Tragödie einer Anbeterin, da möchte ein kleiner Mensch einem großen Geist nahe sein und schusselt doch nur immer tiefer in die Banalität einer dienstbeflissen tänzelnden Gouvernante hinein.

Frau Solness in Ibsens »Baumeister Solness«, ebenfalls in Wien, Regie: Thomas Ostermeier: grandios spitz in ihrer ausgeglühten Verzweiflung; und doch festigt Beziehungslosigkeit diese Ehebindung nur immer weiter, friert sie verlässlich ein - tiefste Trauer, die da lebt und klebt.

Die Souffleuse in Christoph Ransmayrs »Die Unsichtbare«, die nur immer vom Kino träumt, in Salzburg inszeniert von Claus Peymann - kein großes Stück, aber welch eine Herzensfigur: Dene als leis-entnervte, dezent gallige, kontrolliert wippende, trippelnde Königin des gepunkteten Kleides und der Strickjacke; ein verschämtes Clownswesen, das sein Talent zur Hausmeisterin nicht verbergen will.

Kirsten Dene, die Hamburgerin, die Peymann-Spielerin seit den Siebzigern, diese grandios naive, kokett-pusselige Thusnelda in Peymanns unvergesslicher »Hermannsschlacht« in Bochum, diese nervsägend-komische Thomas-Bernhard-Interpretin, diese Komödiantin in Tuchfühlung zu großer Angst und tiefem Schrecken - heute wird sie siebzig Jahre alt.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal