Hamburger »Kirchenretter«

In Moscheeplänen sehen islamophobe Kreise günstige Gelegenheit zum Aufruhr

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Islamhasser-Szene macht in Hamburg gegen die Umwandlung einer ehemaligen Kirche in eine Moschee mobil. Die SCHURA (Rat der islamischen Gemeinschaften) reagiert besonnen und setzt auf Deeskalation.

Rechte Gruppierungen wollen am 23. März vor der ehemaligen Kapernaum-Kirche in Hamburg-Horn demonstrieren. Mit Parolen wie »Moscheebau verhindern!« und »Kapernaum-Kirche bleibt« wird von den Initiatoren - darunter der schleswig-holsteinische Bundestagswahl-Spitzenkandidat von »Pro Deutschland« Stephan Buschendorff - gezielte Desinformation betrieben. Denn erstens wird gar keine Moschee gebaut, und zweitens existiert besagte Kirche seit elf Jahren gar nicht mehr, jedenfalls nicht als Ort sakraler Handlungen.

Wasser auf die Mühlen rechter Kulturkämpfer

Der wahre Hintergrund der rechten Proteste ist der Ende 2012 erfolgte Verkauf des bereits 2002 entwidmeten Kirchengebäudes durch einen Hamburger Kaufmann. Der neue Eigentümer ist das Islamische Zentrum Al-Nour. Dessen Glaubensgemeinschaft muss bislang in einer ehemaligen Garage im Stadtteil St. Georg beten. Sie will die Räume der ehemaligen Kapernaum-Kirche nun sanieren und zukünftig als Moschee nutzen.

Obwohl das unter Denkmalschutz stehende Gebäude äußerlich nicht verändert, auch kein Minarett errichtet wird und die Al-Nour-Gemeinde die Pforten des Gotteshauses auch für Nichtmuslime öffnen will, verbreiteten Kirchenvertreter vor einigen Monaten »Untergang des Abendlandes«-Stimmung in der Hansestadt: Der katholische Weihbischof Hans-Jochen Jaschke warnte vor einer »Austauschbarkeit von Kirche und Christentum mit dem Islam«, der ehemalige Hauptpastor des Hamburger Michel, Helge Adolphsen, sprach von einem »Dammbruch«.

Solche Aussagen waren Wasser auf die Mühlen rechter Kulturkämpfer. In der »Jungen Freiheit« wurde der Umzug der Al-Nour-Gemeinde mit der Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmed II im Jahr 1453 verglichen und die Gründung eines islamischen »Staates im Staate« heraufbeschworen. Und selbstverständlich durfte auch die obligatorische Warnung vor der »demographischen Expansion von Moslems« und ihrer »Einwanderung« in die Sozialsysteme nicht fehlen.

Die Organisationen und Einzelpersonen, die am 23. März vor die Kapernaum-Kirche ziehen wollen, rekrutieren sich vorwiegend aus dem Lager der Neuen Rechten, Neokonservativen und der islamophoben Blogger-Szene. Dazu gehört die Pro- und die Identitäre Bewegung, die German Defence League und das Netzwerk Politically Incorrect - Strukturen, die eine Scharnierfunktion zwischen Rechtspopulismus und Faschismus haben. Im Lager der Kulturkämpfer finden sich auch immer mehr ehemalige Nazis ein, die den völkischen Nationalismus durch die Fetischisierung der »westlichen Zivilisation« ersetzt und ihren Hass, der einst vorwiegend »den Juden« galt, nun gegen Muslime richten. Mit im Fokus stehen Antirassisten und Linke, die sich angeblich mit den »Umma-Sozialisten« verschworen hätten. »Es gibt sehr viele Anzeichen für einen Zusammenschluss von Islam und Kommunismus«, meint Robert Spencer, eine der Ikonen der internationalen Islamhasser-Allianz.

Seit dem Massaker, das der »erste neoliberale Terrorist« am 22. Juli 2011 begangenen hat - so nennt der norwegische Autor Jonas Bals Anders den Massenmörder Behring Breivik - , sei besondere Wachsamkeit geboten, meinen Beobachter dieser bürgerlichen Rechten. Zwar hätten ihre Anhänger »nicht selbst den Finger am Abzug«, so der Sozialwissenschaftler Phillip Becher. Auffällig sei aber, »dass sich in den Schriften eines mutmaßlich Geisteskranken nahezu wortwörtlich die Argumentation rechtspopulistischer Parteien wiederfindet.«

SCHURA: Kein Anlass zu großer Sorge

»Ähnlich wie andere Rechtsradikale, wenn es beispielsweise um den Bau von Flüchtlingsunterkünften geht, wollen hier islamophobe Kreise die Debatte um die Kapernaum-Kirche als Aufhänger benutzen, um die Anwohner für ihre Zwecke zu instrumentalisieren«, erklärte Norbert Müller, Vorstandsmitglied der SCHURA gegenüber »nd«. Der Rat sehe aber keinen Anlass zu großer Sorge, denn die öffentliche Diskussion in Hamburg sei - anders als beispielsweise in Köln - »nach anfänglicher Polemik größtenteils sachlich geführt« worden. Die SCHURA verabredete mit Vertretern sozialer Bewegungen und antifaschistischer Organisationen inzwischen ein gemeinsames Vorgehen, eine Gegenkundgebung wurde für den 23. März vereinbart. Anmelder ist das Hamburger Bündnis gegen Rechts. Die Muslime wollen sich nicht provozieren lassen und eine Eskalation vermeiden, wie der SCHURA-Vorsitzende Mustafa Yoldas versicherte.

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