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Was tun gegen resistente Keime?

Viele Ursachen für Erreger in Krankenhäusern / Gegenmaßnahmen bisher lückenhaft

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Resistente Krankenhauskeime sind ein wachsendes Problem auch im deutschen Gesundheitswesen. Die Innungskrankenkassen fragten Experten nach Lösungsmöglichkeiten.

Infektionen mit multiresistenten Keimen, die sich in Krankenhäusern ausbreiten, sorgen regelmäßig für Unruhe. Immer häufiger lassen sich Bakterien feststellen, gegen die die bisher üblichen Antibiotika nichts mehr ausrichten. Bis zu 600 000 Menschen sollen allein in Deutschland pro Jahr an nosokomialen - erst im Krankenhaus erworbenen - Infektionen leiden. Das Problem ist schon länger bekannt, und bei jedem neuen Ausbruch stellt sich die Frage, ob hier schon genug getan wird. Denn zumindest ein Drittel der Fälle ist aus Expertensicht vermeidbar.

Zwar gab es bereits im Jahr 2011 Änderungen am Infektionsschutzgesetz, zudem wurde eine Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie verabschiedet, wie Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) kürzlich bei einer Veranstaltung der Innungskrankenkassen in Berlin verkündete. Ende 2012 wurde von Ärzten, Krankenhäusern und gesetzlichen Krankenkassen geklärt, dass Patienten, die mit methicillinresistenten Staphylokokken (MRSA) besiedelt sind, einen Behandlungsanspruch haben. Bei diesen speziellen Keimen scheint es auch die deutlichsten Fortschritte zu geben. An dem freiwilligen Überwachungssystem KISS-MRSA beteiligten sich 400 von 2080 Akutkrankenhäusern in der Bundesrepublik. Eine verpflichtende Teilnahme hätte für Henning Rüden, der als Krankenhaushygieniker die Helios-Kliniken berät, gut in das Infektionsschutzgesetz gepasst.

Andererseits sieht etwa die leitende Hygienikerin der Berliner Charité, Petra Gastmeier, dramatische Entwicklungen bei der Ausbreitung von vancomycinresistenten Enterokokken, die unter anderem Harnwegsinfekte und Blutvergiftungen auslösen können. Sorgen machen auch die gramnegativen Bakterien, darunter das Darmbakterium Escherichia coli - bei der Häufigkeit der Resistenzen hat es die genannten Staphylokokken bereits überrundet. Für Gastmeier liegt eines der Probleme bei fehlenden neuen Antibiotika. Hätten ursprünglich 18 Unternehmen in Deutschland an diesem Thema geforscht, seien es heute nur noch vier. Öffentliche Forschungsförderung sei durchaus angebracht.

In den Medien sind schnell Vorwürfe zu finden, es würde nachlässig und wohl auch unter zunehmendem Zeitdruck gearbeitet. Allerdings betonen Hygieniker wie Rüden, dass etwa bei Operationen des Verdauungstraktes das Risiko nicht auf Null zu senken sei. Und es seien immer mehr resistente Keime »unterwegs« - durch unsachgemäße Antibiotika-Verordnung oder unvollständige Einnahme, durch Urlaubsreisen in Hochrisikoländer, zu denen in dieser Frage auch Griechenland und Italien gehören, durch den massenhaften Antibiotika-Einsatz in der Tiermast. Patienten bringen also resistente Keime mit ins Krankenhaus. Einige Kliniken sind daher dazu übergegangen, bestimmte Risikogruppen bei der Aufnahme auf die Erreger zu untersuchen. In der Charité wird seit 2011 jeder zehnte Patient einer solchen Prozedur unterzogen.

Ein mit MRSA besiedelter Chirugie-Patient kostet etwa 10 000 Euro zusätzlich, die für Sanierung und Isolierung des Betroffenen sowie den verlängerten stationären Aufenthalt aufgebracht werden müssen. Die Krankenhäuser sollten also genug Gründe haben, ihr Hygiene-Management ständig zu überprüfen und anzupassen. Patienten könnten es sich zur Regel machen, genau danach zu fragen. Günter Hölling vom Gesundheitsladen Bielefeld sieht das Thema als Bestandteil von Qualitätsberichten, die verständlich und öffentlich zugänglich sein müssten.

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