Hasselhoff verteidigt die Mauer

Bizzarer Auftritt des US-Serienstars auf Demonstration für East Side Gallery

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Dagmar hatte gestern Geburtstag. Wir waren im Borchardt. Kobe Beef!« Mit solchen Plaudereien vertreiben sich Society-Reporterinnen die Zeit, bis die Pressekonferenz zur neuerlichen Demonstration für den Erhalt der East Side Gallery endlich anfängt. Die überraschende Ankündigung, dass der US-amerikanische Schauspieler und Sänger David Hasselhoff diesen Sonntag teilnehmen wird, hat das bisher eher politisch und geschichtspolitisch verhandelte Thema bis in die Klatschspalten gespült. Und so balgen sich die Kameraleute im dunklen und kalten Yaam-Club, der selbst von Bauprojekten am Spreeufer bedroht ist.

Zunächst werden Fotos gemacht. Hasselhoff mit Kind, das ein Plakat mit der Aufschrift »Die Mauer muss bleiben - im Stück, nicht in Scheiben« hochhält. Dazu hält der Sänger noch ein T-Shirt in die Kameras. »Berlin loves you« steht darauf. Er habe es gerade von einer jungen Frau geschenkt bekommen, so der gefühlt ewige Bademeister der Fernsehserie »Baywatch«.

»Wir sind immer noch nicht ganz durch«, sagt Jan Lerch von Yaam zu der Rettung des Freizeitgeländes. Die »Power der Bürger« sei jedoch entscheidend für den Weg hin zu einem Interessenausgleich, einem »Berlin für alle«. Lutz Leichsenring von der Club Commission beklagt, dass die Initiativen rund um den Erhalt der East Side Gallery »trotz über 76 000 Unterschriften« immer noch als Berufsprotest abgetan werden. Um zukünftig auf Entwicklungen nicht nur reagieren zu können, hat die Club Commission im Internet einen Spendenaufruf veröffentlicht. »Mit den gesammelten Geldern können wir zum Beispiel Fachanwälte bezahlen und so auf einer Augenhöhe agieren«, sagt Leichsenring.

Sehr gefühlig kommt Hasselhoff daher. Zum geplanten Teilabriss der East Side Gallery sagt er: »Das ist das zweite Mal, dass das passiert. Am Checkpoint Charlie wurden bereits die Kreuze zum Gedenken an die Mauertoten abgeräumt.« Die Bedeutung seines Liedes »Freedom« für die Ostdeutschen sei ihm erst später klar geworden. So hätten ihn erst vor Kurzem zwei Fans in Gera mit »Äv ben lucking for friedom« empfangen und erzählt, dass das ihre ersten englischen Worte gewesen seien. »Dieses letzte Mauerstück sollte unantastbar sein«, fordert Hasselhoff.

Marc Wohlrabe von der Club Commission erinnert daran, dass es an der Mauergedenkstätte Bernauer Straße sehr wohl möglich gewesen sei, bereits gewidmetes Bauland zurückzukaufen. Das Mauerstück der East Side Gallery stünde für die »Euphorie der Wende«, während jenes an der Bernauer für die Trauer stehe. »Wir glauben auch nicht, dass Investoren deswegen nicht mehr nach Berlin kommen würden. Dafür ist Berlin zu heiß«, denkt Wohlrabe. »Der Bürgerwille wird vom Senat seit Jahren ignoriert. Der Bezirk hat versucht, auf uns einzugehen«, sagt Robert Muschinski von der Initiative »Mediaspree versenken«. Auf einmal heiße es aus dem Senat, es gebe ein gesamtstädtisches Interesse: »Klaus Wowereit will, das gebaut wird.« Muschinski fragt sich, ob es zufällig daran liege, dass »Living Bauhaus«-Investor Maik Uwe Hinkel und der Regierende Bürgermeister befreundet seien. Dann wird ihm das Wort entzogen.

Im Hof des Yaam stehen bereits hunderte Schaulustige. Auf dem Weg zur Demonstration gibt Hasselhoff zunächst noch Autogramme, die Fans machen Erinnerungsfotos. Bereits um 14 Uhr haben sich 10 000 Demonstranten versammelt und es strömen weitere hinzu. Der 60-jährige Sänger flüchtet vor der Menge in den gelben Lautsprecherlaster, gibt aus dem Fenster Autogramme und singt. Erinnerungen an bizarre Szenen rund um den Mauerfall werden wach. Ob das den Senat beeindruckt?

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