Vom Tag zur Nacht von Potsdam

In der Landeshauptstadt gibt es zum 80. Jahrestag viele Veranstaltungen

Adolf Hitler begrüßt den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg vor der Potsdamer Garnisonkirche. Der Handschlag am 21. März 1933 macht den faschistischen Emporkömmling in den Augen dünkelhafter preußischer Offizieren hoffähig. Der Termin ging als Tag von Potsdam in die Geschichte ein und wirkt bis heute nach.

Die Nazis instrumentalisierten die Potsdamer Garnisonkirche: je nach Blickwinkel war das schamlos oder folgerichtig. Sie inszenierten hier am 21. März 1933 die Eröffnung eines Reichstags, dem die kommunistischen Abgeordneten bereits fernbleiben mussten. Diese Tatsache ist längst nicht das einzige Argument der Gegner des Wiederaufbaus der Kirche, die im Zweiten Weltkriegs zerstört und 1968 gänzlich beseitigt wurde. Es ist aber ein starkes Argument, das zum 80. Jubiläum des Ereignisses wieder ins Feld geführt wird.

Die Fixierung einer 300-jährigen Geschichte auf einen einzigen Tag wäre falsch, meint Pfarrer Martin Vogel, Theologischer Vorstand der Stiftung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche. Außerdem könne ein Gebäude ja nichts dafür, was in ihm geschehe.

»Es war eben nicht nur ein Tag«, betont dagegen Aktionskünstler Günter zur Nieden. Für die Nazis sei die Kirche ein Ort ihrer Triumphe gewesen, auf den sie sich immer wieder bezogen. Die Zerstörung in einer Bombennacht im April 1945 könne man als ein Gottesurteil ansehen, findet zur Nieden. Anselm Weidner von der Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche sagt: »Dass man heute wieder über die preußischen Tugenden reden kann, ohne über den preußischen Militarismus zu reden, das ist fatal.«

Die Bürgerinitiative veranstaltet am 21. März um 17 Uhr an der Breiten Straße eine Kundgebung, also dort, wo die Kirche gestanden hat und wieder stehen soll. Die Initiative wäre mit 100 Teilnehmern schon zufrieden. Denn der aktive Widerstand gegen den Wiederaufbau ist nicht sehr zahlreich und er fühlt sich von den Sozialisten im Stich gelassen.

Im Umkehrschluss heißt das aber nicht, dass die Begeisterung für den Nachbau sonderlich groß wäre. Die Spenden sprudeln keineswegs so reichlich, wie einmal geglaubt. 100 Millionen Euro wären notwendig, aber erst fünf Millionen sind eingetrudelt und vier Millionen bereits verbraten. Trotzdem glaubt die Stiftung, 2014 mit dem Bau des 40 Millionen Euro teuren Turms beginnen zu können und ihn 2017 fertig zu haben. Theologe Vogel hofft, was die Spenden betrifft, auf ein Wunder. Der Bauantrag ist eingereicht, aber noch nicht genehmigt. Das Geld könnte besser verwendet werden, heißt es aus den Reihen der Bürgerinitiative. Ein zusätzliches Gotteshaus werde nicht gebraucht. Die Garnisonkirche könnte ein Wallfahrtsort von Neonazis werden. Ausgerechnet die Militärseelsorge sei bislang der großzügigste Sponsor, wird moniert.

Pfarrer Vogel macht es sich mit seinen Antworten nicht leicht. Die evangelische Kirche habe sich mit der dunklen Seite ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt, sagt er. Zwar gab es eine Bekennende Kirche, die sich den Faschisten widersetzte. Doch warum zählte diese nicht mehr Anhänger und warum hat es eine ähnliche kirchliche Friedensbewegung im Ersten Weltkrieg nicht gegeben? Warum waren die Protestanten anfällig für den Antisemitismus?

Doch das sind für Vogel keine Gründe, den Wiederaufbau nicht zu wollen. Seiner Ansicht nach wäre es lohnend, einen Ort zu gewinnen, »wo man Geschichte durchschreiten« und sich mit ihr beschäftigen kann, obwohl es weh tut. Was die Militärseelsorge betreffe, so seien die Geistlichen nicht in die Befehlskette der Bundeswehr eingereiht. Zu den Auslandseinsätzen der Armee sagt Vogel, diese Frage zerreiße die evangelische Kirche genauso wie die Gesellschaft. Es könne doch Situationen geben, wo die Überzeugung, nie eine Waffe in die Hand zu nehmen, vielleicht falsch sei - wenn es etwa darum gehe, Völkermord zu verhindern.

Die LINKE sei nicht für den Wiederaufbau der Kirche, sie sei aber auch nicht dagegen, beschreibt der Kreisvorsitzende Sascha Krämer die Haltung der Partei. »Es gibt mehrere Gründe, diese Kirche nicht zu bauen«, sagt er unter Verweis auf die Stadtentwicklung und die belastete Geschichte des Gebäudes. Wichtig ist den Genossen, dass keine öffentlichen Gelder in das Projekt fließen. Darauf wollen sie achten. Lassen die Sozialisten die Bürgerinitiative im Stich? Nach Krämers Darstellung kann davon keine Rede sein. Denn die Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Linksfraktion laden ein zu einer Veranstaltung, die bewusst auf den Vortag des 21. März gelegt wurde. Das soll es den Gästen ermöglichen, auch zu der Kundgebung der Bürgerinitiative zu gehen, verrät Krämer. Diskutieren werden am 20. März um 18 Uhr im Alten Rathaus am Alten Markt Pfarrer Vogel, Finanzminister Helmuth Markov (LINKE) und Historiker Kurt Pätzold.

Diese Diskussion ist eine von vielen Veranstaltungen zum Jahrestag. Ein Antifabündnis organisierte gleich eine ganze Reihe unter dem Titel »Vom Tag zur Nacht von Potsdam«. Bis zum 26. April soll es Kundgebungen, Vorträge, einen Filmabend und eine Satireaufführung geben. Gezeigt werden soll, dass die Unterdrückung progressiver Bewegungen in und durch Preußen maßgeblich dazu beigetragen habe, »dass in Deutschland niemals eine erfolgreiche bürgerliche, geschweige denn proletarische Revolution stattfinden konnte«. Auf vier Tage zwischen dem 19. und dem 26. März beschränkt sich das offizielle Veranstaltungsprogramm der Stadt. Los geht es am 19. März um 11 Uhr an der Landtagsbaustelle, wo ein Platz den Namen von Otto Braun erhält. Der Sozialdemokrat war in der Weimarer Republik preußischer Ministerpräsident, bevor ihn die Nazis kurzerhand aus dem Amt jagten. Am 20. März startet um 19 Uhr ein Gedenkspaziergang an der Katholischen Probsteikirche am Bassinplatz, die beim Tag von Potsdam eine Rolle spielte. Von dort geht es zu den anderen beiden Kirchen, die am 21. März 1933 zur Inszenierung gehörten. Für Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ist Potsdam durch dieses Datum mit den dunkelsten Kapiteln deutscher Geschichte verbunden. Die Stadt habe sich deshalb entschieden, »dass wir diesen Tag nicht einfach aussitzen wollen«.

Auch in der provisorischen Kapelle am neu gelegten Grundstein der Garnisonkirche gibt es Veranstaltungen. So am 19. März um 19 Uhr ein Rückblick auf den Tag von Potsdam mit dem Zeitzeugen Pfarrer Wilhelm Stintzing.

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