Verzaubert im Puppenhaus

Der Hohnsteiner Kasper, das Kind des Reformators Max Jacob, hat ein neu gestaltetes Domizil

  • Gert Claußnitzer
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Hohnsteiner Puppenspiel ist international bekannt als eine als besondere, von Max Jacob begründete Stilrichtung dieser Kunst. Der Name kommt von der Burg Hohnstein in Sachsen, wo die Spielgruppe um Jacob ab 1928 ihre Aufführungen hatte. 1933 mussten sie die Burg, die zum KZ wurde, verlassen. Die »Kasperfamilie« wohnte später in Sichtweite der Burg im sogenannten Kasperhaus und trat dort auch auf.

Nach einer umfassenden Sanierung ist jetzt das Hohnsteiner Puppentheater in Sachsen wieder seiner Bestimmung zugeführt worden. Die Tradition des Hohnsteiner Puppenspiels wurde von dem legendären Puppenspieler Max Jacob (1888 bis 1967) begründet. Wegen des schlechten Zustandes des Gebäudes war eine grundlegende Erneuerung unabwendbar. Der Hohnsteiner Architekt Ulrich Hupfer, der das Projekt betreute, übergab nunmehr den Schlüssel wieder an den Traditionsverein Hohnsteiner Kasper e.V. Das Vorhaben wurde grenzüberschreitend von der EU gefördert. Man spricht von 240 000 Euro für den Hohnsteiner Bau. Ein ähnliches Projekt wurde im tschechischen Dolni Poustevna realisiert. Beide Betreiber werden eng miteinander zusammenarbeiten, der Kasper-Verein von Hohnstein und der andere mit seinem Kasparek in Dolni Poustevna.

Das wiedererstandene Puppenhaus soll in erster Linie an den großartigen Menschen und Puppenspieler Max Jacob erinnern, sein Wesen und Wirken in Hohnstein. Der Architekt Ulrich Hupfer ist in der Region kein Unbekannter, hat er doch hier zahlreiche Arbeiten für die Denkmalpflege betreut und in städtischen wie ländlichen Räumen Gestaltungen durchgesetzt. Technische Formgebung bringt er in funktionaler Reinheit zum Ausdruck und erzeugt gleichsam räumliche Spannungsfelder. Er schöpft einerseits aus der Tradition und ist andererseits bestrebt, moderne Gestaltungsformen sowie auch ungewohnte Ordnungsprinzipien in seinen Architekturprojekten zur Entfaltung zu bringen. So auch jetzt im Puppenspielhaus.

Zielstrebig geformte plastische Werte, ja sogar eine an die Wand gebrachte Schriftlösung mit einem Zitat über den Puppenspieler Max Jacob, in großzügigen Lettern angebracht, beherrschen den Raum. Dieser erscheint einem wie ein mächtiger Schiffsrumpf. Hölzerne Streben stützen die Decke. Die Seitenwände sind farbig gefasst, und Streifen in verschiedenen lichten Tönen versetzen den Zuschauer in eine lebensfrohe Atmosphäre. Es sind geradezu raumbildende Farbbahnen oder -wege, die ein sehr nüchternes helles Grau überspielen. Die harmonisch wirkende Gestaltung folgt natürlich, wie in anderen Arbeiten des Architekten, konstruktivistischen Gedankengängen und entspricht im Großen und Ganzen den aufklärerischen Themen von Jacobs Puppenspiel, das auf Verzauberung und Enthüllung gerichtet ist.

Anlässlich Jacobs 125. Geburtstag sind, so wird versichert, in diesem Jahr zahlreiche Veranstaltungen vorgesehen. Der Künstler, der aus Bad Ems stammte und über die Wandervogelbewegung nach dem erzgebirgischen Hartenstein als Puppenspieler kam, von dort schließlich 1926 zum ersten Male nach Hohnstein eingeladen wurde, gilt als der wichtigste Reformator des Puppenspiels in Deutschland. Er ist der eigentliche Begründer einer kultivierten Form des Puppenspiels, das heißt eines Spiels als saubere Unterhaltung ohne lehrhafte Tendenz oder moralische Nutzanwendung. Bis dahin war der Kasper auf Jahrmärkten in Erscheinung getreten, roh und vielfach primitiv. Jacob hat ihn gleichsam zu einer großen Kunst entwickelt.

Das Wunderhafte, das Abenteuer und die Landschaft des Magischen gewinnen Gestalt in den Puppenspielen von Max Jacob. Es sind Luftschlösser, die uns vorgegaukelt werden, Wunschbilder auch, in denen der Schatzgräber sein Geld findet, die Liebenden zueinander kommen, der zu Unrecht Gefangene seine Ketten verliert. Überall winkt das Goldene Zeitalter, das Glück, das aus der Nacht ins Licht dringt. Und es ist die »Wahrheit der Masken« in den Puppen oder Marionetten, die uns bezaubern sollen.

Die stilisierten und ausdruckstarken Köpfe der Puppen, geschnitzt von Theo Eggink, deren Kennzeichen die lange Nase, der lachende Mund, die lustigen Augen sind, die uns bis heute berühren und immer wieder von der harmlosesten Heiterkeit bis zur tiefsten Schwermut führen, sind geradezu ein Markenzeichen deutschlandweit geworden. Und sie sind freilich auch eine Form der bildenden Kunst.

Das Puppentheater in dieser Form bedarf wohl keiner anderen Rechtfertigung im lebendigen Austausch mit den Künsten. Insofern wäre doch kritisch zu bewerten, wenn auch - wie angedacht - andere Formen der Unterhaltungskunst Eingang in das Puppenspielhaus fänden.

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