Schwimmen gegen den Strom

Der Schweriner Verein »Power for Kids« hat einen Plattenbau gekauft, um seine Arbeit mit Kindern finanzieren zu können

  • Grit Büttner, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Verein in Schwerin erwarb 2012 einen Plattenbau, um finanziell auf eigene Füße zu kommen. Mit den Mieteinnahmen aus 40 Sozialwohnungen bestreitet »Power for Kids« Freizeitangebote im sozialen Brennpunkt der Landeshauptstadt - und holt die Kinder von der Straße.

Schwerin. Felix (11) muss noch ein Lied lernen, will aber lieber beim Hip-Hop-Tanzen mitmachen. »Erst die Hausaufgaben, dann das Training«, sagt Peter Boneß, Gründer des Vereins »Power for Kids« in Schwerin. Auch der 10-jährige Alex ist jeden Tag im Klub. »Computerspiele, Tischtennis, das mag ich besonders, sonst würde ich mich langweilen«, meint er. Seit kurzem haben die Jungs noch etwas gemeinsam: Mit ihren Familien wohnen sie im selben Wohnblock im Neubaugebiet Großer Dreesch, einem sozialen Brennpunkt Schwerins. Den Plattenbau kaufte der Verein und bewahrte ihn so vor dem Abriss.

Etwa jeder dritte Schweriner unter 15 Jahren lebt in einer Familie, die auf die staatliche Grundsicherung Hartz IV angewiesen ist. Landesweit betrifft das jedes vierte Kind, bundesweit jedes siebte. In Schwerin versorgen nach Angaben der Diakonie drei Kindertafeln rund 800 Kita- und Schulkinder mit Essen.

»Schwerin hat so wie andere Kommunen Zuschüsse für den Kinder- und Jugendbereich immer weiter gekürzt«, sagt Boneß. Sein Verein, der 2008 aus einer privaten Elterninitiative entstand und bereits zweimal aus Abrisshäusern ausziehen musste, wolle nicht mehr nur auf Spenden und Sponsoren angewiesen sein, betont er. Um finanziell auf eigene Füße zu kommen, übernahm »Power for Kids« Mitte 2012 den heruntergekommenen Wohnblock für 150 000 Euro von der Wohnungsbaugenossenschaft. Die Sparkasse gab dafür Kredit.

Die 40 Sozialwohnungen in der »Platte«, die im Verein nur »Power-Block« genannt wird, seien inzwischen renoviert und seit Jahresbeginn komplett belegt. Viele Mieter seien Vereinsmitglieder, Ehrenamtliche oder Familien der jüngsten Klub-Besucher, sagt Boneß, der als Hartz IV-Empfänger selbst im »Power-Block« wohnt. »Wir leben zwar immer noch von der Hand in den Mund, doch die Mieteinnahmen decken die laufenden Kosten für den Vereinstreff.« Noch in diesem Jahr sollen Heizungen und Wasserleitungen saniert werden, die Erneuerung der Fassade indes müsse warten, erklärt Boneß.

Unterdessen proben Felix, Alex und die anderen im nahen Kids-Klub einen Auftritt ihrer »Power Event Group«. Die vom Verein 2008 initiierte Schülerfirma führt Kinder vom Dreesch-Gebiet »Mueßer Holz« zusammen, darunter Schulschwänzer, Förderschüler und Kinder mit Migrationshintergrund. Breakdance- und Hip-Hop-Programme kommen bei Veranstaltungen gut an.

»Power for Kids« wächst aus den Kinderschuhen heraus. Wenigstens 60 Besucher zwischen sechs und 16 Jahren habe der Klub jeden Tag, sagt Mario Hartig, ehrenamtlicher Betreuer. »Hier kann ich den Kids ein bisschen davon zurückgeben, was ich in meiner Kindheit noch erleben durfte«, sagt der arbeitslose Lagerist. »Nach der Wende ging im Osten ein Jugendklub nach dem anderen kaputt, wir versuchen im Verein, gegen den Strom zu schwimmen.« Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfe, aber auch Sport und Spiele, Basteln, Tanzen und Musizieren seien im Klub möglich, zählt Boneß auf. Die Kindertafel sei mittags immer gut besucht. Besonders beliebt seien gemeinsame Ausflüge. »Gewalt und Vandalismus durch Jugendliche haben deutlich abgenommen im Kiez«, so der Vereinsgründer.

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