Das Seemannsgesetz von 1957 hat ausgedient

Nach jahrelangem politischem Tauziehen wird der Bundesrat heute die Ratifizierung durch Deutschland besiegeln

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 2 Min.
Das neue weltweite Seearbeitsrecht ist gut für Seeleute - in Deutschland aber politisch umstritten. Anwalt Rolf Geffken kritisiert die Linkspartei.

Es dauerte lange. Eigentlich sollte das im Februar 2006 verabschiedete Seearbeitsübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 2008 in deutsches Recht umgesetzt werden. So zumindest versprach es damals die schwarz-rote Bundesregierung Angela Merkels. Doch erst fünf Jahre später befasst sich heute der Bundesrat abschließend mit der Umsetzung des Abkommens. Ersetzt wird dadurch das bislang gültige Seemannsgesetz von 1957.

Für Josip Juratovic, den zuständigen Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, ist klar: Union und FDP haben »die nationale Umsetzung immer wieder verzögert«. Die jetzigen Regierungsfraktionen schieben den schwarzen Peter von sich und verweisen auf Verbesserungsbedarf gegenüber der EU-Richtlinie. Das neue Arbeitsrecht für Seeleute nutze nun auch der deutschen Handelsflotte. »Die Reeder können sich besser im weltweiten Wettbewerb mit anderen Flaggen behaupten«, sagte der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Karl Schiewerling.

Im Kern geht es um Arbeitsbedingungen und Heuer der Seeleute und um Profit. Über 3500 Schiffe, die deutschen Reedern und Investoren gehören, fahren unter einer Billigflagge. An Gebühren, Sozialmaßnahmen und Löhnen kann man pro Jahr und Schiff dadurch einen sechsstelligen Eurobetrag einsparen. Möglich macht dies das sogenannte Internationale Seeschifffahrtsregister, welches die CDU-Regierung Helmut Kohls 1989 einführte: Hier können Reeder ihre Schiffe wie bei einer Autozulassungsstelle eintragen lassen - einerseits um die maritimen Privilegien des deutschen Steuerrechts zu nutzen sowie Sozialbeiträge zu sparen und andererseits um ihre Seeleute unter Bedingungen von Schwellenländern anzuheuern. Zufrieden gibt sich daher der Präsident des Verbandes Deutscher Reeder, Hapag-Lloyd-Boss Michael Behrendt: »Das Übereinkommen stärkt auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Reeder.«

Nach Ansicht des Hamburger Arbeitsrechtlers Rolf Geffken, der sich seit Jahrzehnten um die Belange von deutschen und ausländischen Seeleuten kümmert, fällt das neue Seearbeitsgesetz hinter das ILO-Abkommen zurück, das unmittelbar etwa 16 000 Seeleute auf deutschen Schiffen betrifft. Er kritisiert zudem das Festhalten am Zweitregister. Der Linksfraktion, die sich wie auch die SPD und etwas zögerlicher die Grünen bei der ersten Lesung im Bundestag der Stimme enthielt, wirft Geffken »Totalversagen« vor. Sie habe es versäumt, die Problematik in den Küstenländern öffentlich zu machen, und hätte auf ein Ende von Zweitregister, Billigflaggen und Lohndumping drängen sollen.

Den offenen Brief an Fraktionschef Gregor Gysi beantwortete kürzlich der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Herbert Behrens. Es sei der falsche Zeitpunkt für ein Junktim zwischen Seearbeitsübereinkommen und Abschaffung des Zweitregisters. Immerhin sei es die LINKE gewesen, die »den Skandal des Verschleppens der Ratifizierung« auf die Tagesordnung gebracht habe. Seiner Ansicht nach bringt das Gesetz Verbesserungen gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage.

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