Mit »Jule« auf eigene Füße

Berlinweit einzigartiges Projekt in Marzahn hilft jungen Alleinerziehenden

  • Wolfgang Weiß
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Golliner Straße in Marzahn-Nord unterscheidet sich eigentlich in nichts von den anderen Plattenbauten, die zu DDR-Zeiten im Rahmen des ambitionierten Wohnungsbauprogramms schnell hochgezogen und nach der Wende aufwendig saniert wurden. Eine Ausnahme bilden die Aufgänge 5 und 7. Hier hat ein Projekt Einzug gehalten, das in Berlin einzigartig ist. Unter dem Namen »Jule« (für junges Leben) erhalten Alleinerziehende beiderlei Geschlechts im Alter zwischen 18 und 27 Jahren Hilfe und Unterstützung auf ihrem Weg in ein eigenverantwortlich gestaltetes Leben, wie Astrid Egel betont.

Die Sozialarbeiterin, die zusammen mit ihrer Kollegin Marina Bikádi »Jule« im Auftrag des Kinderring Berlin e.V. betreut, ergänzt: »Nach Absolvierung des Projekts sollen die Teilnehmer möglichst selbstständig sein und ohne Transferleistungen auskommen können.«

Die Wohnungsgesellschaft degewo und deren Vorstandsmitglied Frank Bielka als Initiatoren von »Jule« stellten 15 Wohnungen in der Golliner Straße zur Verfügung. Zehn junge Frauen und ein junger Mann nutzen sie zur Zeit schon. »Wir hatten schon über 40 Anfragen«, berichtet Astrid Egel, »aber wir schauen uns die Bewerber genau an«. Wer nur unter dem Motto »Ick brauche mal ›ne Wohnung‹« komme, habe bei »Jule« schlechte Karten.

Die Interessenten, die sich selbst bewerben müssen, werden zu Informationsgesprächen und zum gegenseitigen Kennenlernen eingeladen. Kommt es dann zu einer Zusage, müssen Zielvereinbarungen abgeschlossen werden, die auch regelmäßig überprüft werden. Diese beinhalten, je nach den individuellen Bedürfnissen der Bewerber, das Nachholen einer Schulausbildung, die Vermittlung von Berufsausbildung und Arbeitsplätzen, die Beschaffung von Kita-Plätzen oder die Beratung zu Themen wie Schulden oder Erziehungsfragen. Alle 14 Tage finde zum Beispiel ein offener Elterntreff statt, an dem auch erfahrene Sozialpädagogen teilnehmen.

Großen Wert legt Astrid Egel auf die Feststellung, dass es sich bei »Jule« nicht um eine herkömmliche Mutter-Kind-Einrichtung mit 24 Stunden Betreuung handele. »Unsere Teilnehmer müssen für sich selbst sorgen und auch ihre Wohnungen selbstständig in Schuss halten«, sagt sie. Begleitet und unterstützt wird das Projekt durch eine Steuerungsrunde, bei der alle Beteiligten an einem Tisch sitzen. Dazu gehören neben der degewo auch das Jobcenter Marzahn-Hellersdorf, das Bezirksamt, der Wirtschaftskreis des Stadtbezirkes und die Alice-Salomon-Hochschule als wissenschaftliche Beraterin.

Das Jule-Wohnprojekt wurde Ende Januar als »hervorragendes Beispiel sozialen Engagements« mit dem »Preis Soziale Stadt 2012« ausgezeichnet. »Von zehn Bewerbern aus dem ganzen Bundesgebiet wurden nur zwei ausgewählt und dazu gehörten wir«, freut sich Astrid Egel. Es gibt auch schon Anfragen aus anderen Städten, die die Idee des Projektes »Jule« nutzen wollen.

Marina Bikádi, Astrid Egel, Golliner Straße 7, 12689 Berlin; Bus: 192, 197, 390, 901 Station Havemannstr./ Golliner Str., S-Bahn: S 7 Ahrensfelde, Tram M 8, 16, Station: Barnimplatz, www.jule-marzahn.de; jule-marzahn@kinderring-berlin.de

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