Ein Drittel mehr Mindestlohn

Im Vorfeld der Fußball-WM 2010 konnten südafrikanische Gewerkschaften viele dauerhafte Verbesserungen erstreiten

  • Armin Osmanovic, Johannesburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika war ein Erfolg, so sieht es zumindest eine Mehrheit der Menschen in dem Land. Daran haben die hohen Gesamtausgaben in Höhe von fast vier Milliarden US-Dollar für den (Um)Bau von Fußballstadien und Infrastrukturprojekten nichts geändert. Ein Erfolg war das Turnier für viele vor allem deshalb, weil Südafrika der Welt zeigen konnte, dass das Land eine solche Großveranstaltung ohne größere Probleme stemmen kann.

Für die Gewerkschaften in Südafrika war das Turnier ebenfalls ein Erfolg - obwohl sie zu den größten Kritikern der WM-Kosten zählten. Gegenüber den ursprünglich veranschlagten Kosten stiegen die Ausgaben für das Turnier nämlich stark an. Den Gewerkschaften jedenfalls gelang es mit der Kampagne »Fair Games - Fair Play« (Faire Spiele - Fair spielen), bessere Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen durchzusetzen.

Gegründet wurde die Kampagne bereits 2007 auf dem Weltsozialforum in Nairobi. Hauptträger der Initiative waren der globale Zusammenschluss der Gewerkschaften des Bau- und Holzsektors BWI und seine südafrikanischen Mitgliedsgewerkschaften sowie Nichtregierungsorganisationen. Eingebettet war die Kampagne »Fair Games - Fair Play« in die ebenfalls 2007 begonnene Initiative »Decent Work for a Decent Life« des globalen Gewerkschaftsdachverbands ITUC .

Erfolgreich war die Kampagne in mehrfacher Hinsicht: Erstens gelang es den Gewerkschaften in den drei Jahren vor der WM, den Mindestlohn um 35 Prozent anzuheben. Zweitens konnten Verbesserungen im Bereich der Sicherheitsstandards auf den Baustellen erreicht werden. Drittens gelang es, die Bezahlung von Angestellten bei Subunternehmen zu verbessern. Viertens verpflichteten sich die Bauunternehmen, ihre Angestellten fortzubilden. Und fünftens schließlich erhielten alle Bauarbeiter Freikarten für die Fußballspiele. Ein weiterer Erfolg der Gewerkschaften war, dass ihre Mitgliedszahlen im Bausektor in den Jahren 2007 bis 2009 um 27 000 anwuchsen.

Die südafrikanische Bauwirtschaft weist viele Tage- und Wochenlöhner sowie Leiharbeiter auf. Etwa 50 bis 70 Prozent aller Arbeitskräfte im Bausektor sind Leiharbeiter. Auf den WM-Baustellen waren denn auch neben den zwei Hauptbauunternehmen bis zu zwanzig Subunternehmen tätig. In diesem für die Gewerkschaften schwierigen Umfeld sind nur zehn Prozent der Arbeitskräfte bei ihnen organisiert.

Die Stärke der Kampagne »Fair Games - Fair Play« lag vor allem in ihrer konsequenten, staatenübergreifend vernetzten Lobbyarbeit gegenüber der FIFA. Der Fußballweltverband lehnte zunächst eine Verantwortung für die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der Stadien ab. Durch die koordinierte Überzeugungsarbeit, in die der Schweizerische Gewerkschaftsbund eingebunden war (die FIFA sitzt in Zürich), konnte die Haltung der FIFA, die sich selbst gerne »gesellschaftliche Verantwortung« auf die Fahnen schreibt, im Vorfeld der WM verändert werden. Zu diesem Erfolg beigetragen hat auch der wachsende Druck durch Streiks auf Baustellen in Südafrika.

Gefordert hatten die Gewerkschaften Stadioninspektionen zur Kontrolle der Einhaltung der Arbeitsbedingungen. Die im März 2009 durchgeführten Überprüfungen wurden von der FIFA lediglich toleriert, erhielten aber große Aufmerksamkeit in den Medien, vor allem, als den Inspektoren in Kapstadt der Zutritt zum Stadion verwehrt wurde. Für die Gewerkschaften waren diese Inspektionen eine wichtige Errungenschaft für mehr Arbeitssicherheit und gute Entlohnung, hinter die die FIFA in Zukunft kaum noch zurückfallen kann. Nach diesen Inspektionen erklärte sich die FIFA öffentlich solidarisch mit der Kampagne.

Diese Kampagne hat zum ersten Mal deutlich gemacht, dass es mit einer koordinierten Zusammenarbeit von Gewerkschaften aus dem globalen Norden und Süden sowie mit Hilfe von Nichtregierungsorganisationen möglich ist, dass Arbeitskräfte von sportlichen Großveranstaltungen profitieren können.

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