nd-aktuell.de / 08.04.2013 / Montagmorgen / Seite 12

Hier nur deutsch!

Jürgen Amendt

Was gab es Wichtiges in der vergangenen Woche in dieser besten aller Hauptstädte? Viel Winter im Frühjahr, Flughafengedöns - nichts Aufregendes. Erfolglos versuchte der »Tagesspiegel« eine Mediendebatte über die mangelhaften Fremdsprachenkenntnisse Berliner Behördenmitarbeiter anzustoßen. Die Rede war von sogenannten Start-up-Unternehmen, in denen meist auf Englisch kommuniziert werde; die Anglophilen würden allerdings beim Gang aufs Amt ihr Wunder erleben: Hier nur deutsch, werde dem Fremden beschieden. Das ist wahrlich ein Problem und weil es eines ist, soll es an dieser Stelle auch nicht klein geredet werden.

Um die Willkommenskultur in dieser Stadt ist es nicht zum Besten bestellt. Das weiß jeder, der zum ersten Mal Berliner Boden betreten hat und - um nur eines der immer wieder gern erzählten Beispiele zu referieren - versucht hat, beim BVG-Busfahrer mit einem 50-Euro-Schein zu bezahlen. Man tut das einmal und dann nie wieder. Sämtliche Versuche von in der Regel von Auswärts bestellten Anstandserziehern, dem öffentlichen Dienst dieser Stadt Freundlichkeit beizubringen, sind fehlgeschlagen.

Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die legendären »Lächelkurse« für die Mitarbeiter des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) Mitte der 1990er Jahre. Damals schon war es den Fremden aufgefallen, dass dem Bahnsteigbeamten ein »Bitte« beim Hinweis, man möge doch jetzt nicht mehr in den Zug einsteigen, weil dieser sich gleich in Bewegung setzen werde, nicht über die Lippen kommen wollte. Durch die Lautsprecher brüllte eine ruppige Stimme: »Zurückbleiben« - mit drei Ausrufezeichen!!! Nach Besuch der Kurse hatte sich nicht wirklich etwas verändert. Dem »Zurückbleiben« wurde lediglich ein ebenso geschrienes »Bitte« hinzugefügt. Selbst die Hoffnung, durch eine Steigerung des Migrantenanteils im ÖPNV würde sich etwas ändern, hat sich mittlerweile zerschlagen. Vor einigen Jahren wurde ich beim Versuch, auf dem Bahnsteig mein Fahrrad dem Zweck gemäß zu bewegen, von irgendeinem Mustafa oder Ibrahim in S-Bahn-Kluft per Lautsprechergebrüll - »Das Radfahren auf dem Bahnsteig ist verboten« - in die harte Berliner Realität zurückgeholt. Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

Doch es ist nicht alles schlecht in Sachen Willkommenskultur in dieser Stadt. Glück hat, wer als Fremder seinerseits auf einen Fremden trifft. Kürzlich weilte mein Vater aus der fränkischen Provinz zu Besuch. Wie üblich führte ihn sein Weg auf den Fernsehturm. Von dort zurückgekehrt, berichtete er am Abendbrottisch, er habe einen jungen Briten kennengelernt. Mein Vater konnte im Gespräch mit dem jungen Mann einiges über ihn in Erfahrung bringen: Der nette Brite stamme aus Edinburgh, sei 25 Jahre alt und wegen des Studiums nach Berlin gekommen.

»Oh«, sagte ich da, »der Brite sprach wohl gut deutsch«. Darauf mein Vater: »Kein Wort konnte er«.

»Und wie hast Du Dich dann mit ihm unterhalten können, Du kannst doch kein Englisch?«

»Ach, das war kein Problem, wir haben uns auch so gut verstanden.«