nd-aktuell.de / 08.04.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Dänemark überwacht Sozialhilfeempfänger

Regierung schafft Kontrollbehörde

Andreas Knudsen, Kopenhagen
Die dänische »Verwunderungsliste« soll Sozialleistungsmissbrauch ahnden. Kritiker sehen Rechtsprobleme.

Wenn es um staatliche Zuschüsse gibt, blüht die Kreativität auf. Das wissen nationale wie EU-Behörden zur Genüge, aber wie groß der kleine tägliche Schummel oder bewusster Betrug sind, ist schwer zu bestimmen und noch schwieriger zu bekämpfen. Für Dänemark gehen die Schätzungen weit auseinander, in welcher Höhe Bürger unberechtigt erhöhtes Kindergeld, Wohnraumzuschuss oder andere Leistungen beziehen. Verschiedene Untersuchungen der letzten Jahre kommen zu Ergebnissen, die weit auseinanderklaffen und zwischen 350 Millionen und 1,5 Milliarden Euro jährlich liegen.

Um den Missbrauch von Steuergeldern effektiver zu bekämpfen, beschlossen die parlamentarischen Parteien des dänischen Folketings mit Ausnahme der Einheitsliste im Jahr 2012 die »Auszahlungsbehörde Dänemark« einzurichten. Diese nimmt nicht nur die Auszahlungen diverser Zuschüsse vor, sondern wird auch verschiedene Personenregister kombinieren können, um den einzelnen Zuschussberechtigten zu kontrollieren. Laut Gesetz sind es nur nicht-sensible Informationen, die kombiniert werden können, aber die Definition hängt wohl von den Augen ab, die es lesen.

Information zu Personenstand, Wohnsitz, Familienstand und Einkommensverhältnissen werden von den meisten Bürgern wohl doch als sensible Informationen betrachtet werden, die sie nur mit vertrauten Personen teilen möchten. Zudem weiß keiner der Auszahlungsberechtigungen zu Beginn des Kontrollprozesses, dass die 40-köpfige Behörde die Register über ihn einsieht und vergleicht. Nur im Fall einer Akteneinsicht oder der offiziellen Information, dass man auf der behördlichen »Verwunderungsliste« gelandet ist, wird man darauf aufmerksam, ins Visier genommen worden zu sein.

Potenziell können zwei Millionen Bürger auf diese Liste kommen, denn so viele sind auszahlungsberechtigt für die eine oder andere Sozialleistung. Die ersten Schritte werden bei dieser Datenmenge natürlich per Computer vorgenommen und erst die Digitalisierungsrevolution der letzten Jahre macht diesen Kontrollaufwand überhaupt möglich.

Während die sozialdemokratische Sozialministerin Karin Hækkerup Zufriedenheit darüber äußerte, dass eine Kontrolle zur Auszahlungsberechtigung eingerichtet wird, weisen Kritiker auf Rechtssicherheitsprobleme hin. Die Sozialbehörde bekommt mit diesem Instrument größere Befugnisse, als Polizei und Geheimdienst, die für eine gleiche Zusammenführung verschiedener Register eine richterliche Bestätigung benötigen.

Die staatliche »Verwunderungsliste« ist die Fortsetzung einer behördlichen Kontrolllinie, die in den letzten Jahren verstärkt angewendet wurde und beispielsweise zur Einrichtung kommunaler Kontrollgruppen führte. Eine Reihe Städte hat darüber hinaus die Möglichkeit eingerichtet, dass Bürger per Klick auf kommunalen Homepages anonym Anzeige erstatten können, falls sie den Verdacht haben, dass Nachbarn unberechtigt Sozialleistungen empfangen.