Deutschland geht’s gut

  • Ernst Röhl
  • Lesedauer: 3 Min.
Flattersatz: Deutschland geht’s gut

Die Bundeskanzlerin ist mit sich zufrieden. Auch ihrem Kabinett stellt sie ein glänzendes Zeugnis aus, sogar Dirk Niebel. Denn Deutschland geht es gut. Viel besser als Zypern oder Griechenland. Der FC Bayern ist Fußballmeister. Unaufhaltsam steigt die Zahl der Fernsehköche. Die Renten sind sicherer als die Sparguthaben, und die Commerzbank lockt Kleinsparer mit dem unwiderstehlichen Zinssatz von 0,5 Prozent. Deutschland geht es sehr*/ richtig*/ extrem* gut (*Nichtzutreffendes bitte streichen). Um es mit einer Lieblingsformulierung der Kanzlerin zu sagen: Deutschland geht es so gut wie nie zuvor. Dieser Kerngedanke sollte schleunigst als geflügeltes Wort in den Büchmann, die Mutter aller Sammlungen geflügelter Worte, aufgenommen werden.

Warum schwächelt der SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück? Weil er verschweigt, dass es Deutschland so gut geht! Dass es Deutschland gut geht, merken wir schon daran, dass es anderen Europäern per saldo schlecht geht. Unsere Kanzlerin sitzt das aus, ihr ist nicht bange um Deutschlands Zukunft. Muss es auch nicht, sie arbeitet ja hart daran, Deutschland »nach vorn« zu bringen. Kürzlich zog in Plauen die »Tafel« aus der Klopstock-Straße in das neue Sozialhaus Schlossstraße 15-17 um. Hier gefällt es der Kundschaft prima: Suppenküche, Lebensmittelausgabe und Kleiderkammer - alles unter einem Dach. Plauen ist nur eins von vielen ermutigenden Beispielen. Inzwischen gibt es in der Bundesrepublik über 900 einschlägige »Tafeln«, Tendenz steigend. Deutschland, so freue dich!

Täusche ich mich oder überflutet gerade ein Tsunami guter Nachrichten das Land? Ein Berliner Glückspilz gewann 21 Millionen Euro im Lotto. Die 500 reichsten Deutschen steigerten seit 2011 ihren Wohlstand auf 500,8 Milliarden Euro und übertreffen damit die Wirtschaftsleistung der Schweiz. Bundestagspräsident Lammert möchte seinen Schäfchen und sich selbst lieber heute als morgen die Diäten erhöhen, möglichst noch vor der Wahl. Man kann ja nicht wissen, wie das neue Parlament darüber denkt - was man hat, das hat man. Die jüngste Diätensteigerung liegt nun schon ein endlos langes Vierteljahr zurück. Und außerdem erhalten unsere SB-Volksvertreter monatlich pro Nase nur lumpige 8250 Euro plus 4000 Euro Kostenpauschale »für Wahlkreisbetreuung«.

Die völlig unabhängige »unabhängige Expertenkommission« unter der Leitung von Herrn Schmidt-Jorzig (FDP) fühlt sich durch Peanuts wie diese in den Niedriglohnsektor zurückgeworfen. Stünden dem Abgeordneten, der den langen Bildungsweg mit den Stationen Kreißsaal - Hörsaal - Plenarsaal hinter sich hat, nicht eigentlich Diäten zu, die den Bezügen höherer Richter gleichen?! Das Gehalt eines Richters (R6 plus Zulagen) beträgt 8520 Euro und zeichnet sich dadurch aus, dass es im kommenden August auf 8720 Euro (plus Familienzuschläge) empor katapultiert wird, gerade noch rechtzeitig vor dem Ende der Legislaturperiode.

Oh ja, Deutschland geht’s gut. Insofern überrascht es nicht, dass Tausende italienischer Paparazzi die Kanzlerin eines Landes, dem es so gut geht, bei ihrem wohlverdienten Osterurlaub auf Ischia zufällig fotografierten, und zwar am laufenden Band. Dem Kanzlerkandidaten Steinbrück schmeckt das gar nicht. Für ihn könnte sich damit die Bundestagswahl 2013 schon erledigt haben. Auf den »versteckt aufgenommenen« Fotos erleben wir die alte und neue Kanzlerin als - ja, als eine von uns eben. Beim unbeschwerten Spiel mit den Bambini sehen wir deutlich: Mutti kann nicht nur Kanzlerin, Mutti kann sogar Oma.

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