Probleme für den »König der Windenergie«

In Italien werden Mafiagüter im Gesamtwert von 1,3 Milliarden Euro beschlagnahmt

  • Anna Maldini
  • Lesedauer: 3 Min.
In Italien wurden letzte Woche Güter im Wert von 1,3 Milliarden beschlagnahmt, die man der Mafia zuordnen kann. Es war die größte Operation dieser Art aller Zeiten. Im Mittelpunkt steht Vito Nicastri, der »König der Windenergie«.

Vito Nicastri selbst bezeichnete sich gerne als »Problemlöser«. Das war seine Aufgaben in dem riesigen Geschäft mit der Windenergie in Süditalien. Er löste Probleme, wo immer sie auch auftraten.

Er überzeugte die Bauern, ihm ihre Felder zu überlassen, um dort Windräder aufzustellen; das war meistens ganz einfach, da es heutzutage oft sehr viel rentabler ist, sich mit der Pacht Geld zu verdienen, als mühsam Oliven oder Wein anzubauen. Und wenn jemand wirklich Schwierigkeiten machte, hatte Nicastri genug Mittel zur Verfügung für das berüchtigte »Angebot, das man nicht ausschlagen kann«. Gewalt war in den meisten Fällen nicht notwendig.

Die nächsten »Probleme« gab es dann mit den verschiedenen Genehmigungen, die auf lokaler und regionaler Ebene notwendig waren. Aber auch hier bewegte sich der 57-jährige Elektriker aus Alcamo im Westen Siziliens wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser. Er wusste immer, wie er wen zu schmieren hatte: Mal war es ein Bürgermeister, dem er Geld für seine nächste Wahlkampagne versprach, mal ein kleiner Funktionär in irgendeiner Behörde, der einfach nur einen sicheren Arbeitsplatz für seinen Sohn wollte.

Manchmal flossen auch beachtliche Summen genau zur richtigen Zeit an die richtige Stelle. Wenn es dann darum ging, die Windräder aufzustellen, wusste Nicastri, welche Firmen er zu beauftragen hatte. Inzwischen hatte er sich um alle möglichen Anschlüsse, aber auch um Bankkredite und staatlichen Hilfen gekümmert, die es auf dem Markt für erneuerbare Energie gibt. Und dann übergab er den fertigen Windpark an die großen internationalen Firmen wie Siemens, die sich an den »Problemlöser« gewandt hatten. Für Vito Nicastri ein einträgliches Geschäft, wie das Vermögen von 1,3 Milliarden Euro beweist, das die Anti-Mafia-Ermittlungsbehörde DIA (Direzione Investigativa Antimafia) beschlagnahmt hat.

Und die Mafia? Wo kommt sie in dieser »Erfolgsgeschichte« vor? Vito Nicastri ist sicherlich kein Mafioso im klassischen Sinne. Man könnte ihn eher als einen typischen Vertreter der Grauzone bezeichnen, die es seit eh und je rund um die organisierte Kriminalität gibt. Diese wissen, wo sich ihre Interessen mit denen der Mafia decken, wo man einen »starken Partner« braucht und wie man mit ihnen Geschäfte machen kann, die für alle Seiten vorteilhaft sind.

Noch sind die Ermittlungen in diesem Fall nicht abgeschlossen, aber einige Dinge hat der Chef der DIA Arturo De Felice schon klargestellt. Nicastri stand in Verbindung zu den höchsten Sphären der Mafia und wahrscheinlich auch zu Matteo Messina Denaro, die Nummer Eins der Organisation in Sizilien. Das wird unter anderem durch einen Zettel bewiesen, den man bei einem wichtigen Mafioso gefunden hat und auf dem hinter dem Namen von Nicastri ein Haken und ein lakonische »ok« stand.

Wahrscheinlich hat die Mafia ihm zum Beispiel dabei geholfen, über »befreundete« Banken an das notwendige Geld zu kommen; möglicherweise hat sie die Unternehmen des »Windkönigs« auch benutzt, um ihre eigenen Gelder zu waschen. Es ist hingegen eher unwahrscheinlich, dass der Unternehmer aus Alcamo direkt auf der Gehaltsliste der Bosse stand oder eine Art Statthalter oder Strohmann war - wie gesagt, hier ging es um Geben und Nehmen, um mafiösen Filz.

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