nd-aktuell.de / 16.04.2013 / Kultur / Seite 16

Herkunft und Habitus

Journalisten

Jürgen Amendt

Wie viel verdienen Kita-Erzieher in Deutschland? Die Frage klingt einfach, ist aber schwierig zu beantworten. Die Verdienstspanne ist groß; je nach Berufserfahrung, Beschäftigungsart (Teil- oder Vollzeit), Arbeitgeber (Kommunen oder Freie Träger), Region (Land, Stadt, Ost, West) oder Geschlecht kommt eine Erzieherin auf ein monatliches Einkommen zwischen rund 1900 und knapp 3000 Euro brutto. Wobei man wissen muss, dass in den Genuss eines Einkommens von 3000 Euro im Monat nur die Wenigsten kommen, denn dieses Gehalt erhalten nur jene Beschäftigten, die 25 Jahre auf einer Vollzeitstelle gearbeitet haben. Das Gros der Kita-Pädagogen ist auf oftmals befristeten Teilzeitstellen beschäftigt und viele steigen nach fünf bis sieben Jahren Berufstätigkeit aus dem Job aus.

Der »Stern« hat es sich vor wenigen Wochen in einem größeren Beitrag zu den Verdienstmargen in 100 Berufen dagegen sehr leicht mit der Beantwortung der Frage gemacht und das Monatseinkommen eines Kindergärtners (sic!) auf pauschal 2780 Euro (Männer) bzw. 2696 Euro (Frauen) beziffert. Bei Managergehältern etwa sind nicht nur die Kollegen des »Stern« in der Regel genauer, differenzierter.

Warum das so ist? Salopp formuliert, weil Manager kulturell und sozial den meisten Journalisten näher stehen als Erzieherinnen. »Es kann unterstellt werden, dass bei allen untersuchten Medien vor allem Journalisten aus gehobenen sozialen und kulturellen Schichten führende Positionen und damit auch die Rolle von ständigen Kommentatoren einnehmen«, umschreiben dies Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz, Autoren in ihrer Studie »Portionierte Armut, Blackbox Reichtum«. Mit Bezug auf diverse Untersuchungen stellen die beiden fest, dass soziale Herkunft und Habitus »einen starken Einfluss auf das Handeln der journalistischen Akteure haben«.

Das Problem, so Arlt und Storz, beginne schon bei der Auswahl des journalistischen Nachwuchses. Mehr als zwei Drittel der Schüler der einschlägigen Journalistenschulen stammten aus »vergleichsweise gesicherten und leicht privilegierten sozialen Schichten, vor allem aus Angestellten- und Beamtenfamilien; es handelt sich dabei nicht um niedrigrangige Angestellte und Beamte, sondern jeweils um Angestellte und Beamte in gehobenen bis sehr gehobenen Positionen, jeweils mit Hochschulabschluss«. Aus Arbeiterfamilien kämen dagegen nur neun Prozent der in hiesigen Medien beschäftigten Journalisten. Der deutsche Journalismus sei »ein Feld der etablierten Sozialschichten«.

Und weil das so ist, tendieren selbst jene, die aus niederen sozialen Verhältnissen stammen und innerhalb der Medien aufgestiegen sind, nicht gerade dazu, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich zum Thema zu machen. Arlt und Storz zitieren Studien, die sich mit der sozialen Herkunft der Belle Etage des deutschen Journalismus beschäftigt haben. Danach gibt es innerhalb der Chefredaktionen durchaus eine »breite Herkunftsstreuung« (Arbeiterschicht und Kleinbürgertum), diese führe »jedoch nicht zu einer Weitung des journalistischen Feldes, da sich ›die aufgestiegenen Chefredakteure‹ an den Habitus der Angehörigen der gehobenen Schichten anlehnten und ›weitgehend deren Einstellungsbedingungen‹« teilten. Wiederum salopp formuliert: Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

Weiterlesen:

Blackbox Reichtum[1]
Die Angst des Journalismus vor der sozialen Kluft

Links:

  1. http://www.nd-aktuell.de/artikel/818803.blackbox-reichtum.html