nd-aktuell.de / 16.04.2013 / Brandenburg / Seite 14

Vergeblicher Wahlsieg

Kornelia Wehlan (LINKE) wird wegen einer 15-Prozent-Hürde nicht Landrätin von Teltow-Fläming

Andreas Fritsche
An der verfehlten Mindestanzahl der Stimmen ist die Landratsdirektwahl in Teltow-Fläming gescheitert. Nun wird diskutiert, das Wahlrecht zu ändern.

Kornelia Wehlan (LINKE) hat am Sonntag bei der Landratsstichwahl in Teltow-Fläming noch einmal knapp 6000 Stimmen hinzugewonnen und den SPD-Kandidaten Frank Gerhard mit 66,2 Prozent haushoch besiegt. Trotzdem wird Wehlan nicht Landrätin, weil sie die erforderliche Mindestanzahl von 20 695 Stimmen um schlappe 541 Stimmen verfehlte. Nun kungeln doch wieder die Kreistagsfraktionen untereinander aus, wer neuer Landrat wird. Der vormalige Landrat Peer Giesecke (SPD) hatte wegen Vorteilsannahme gehen müssen.

Es war vorher klar: Die Landtagsabgeordnete Wehlan lässt Ludwigsfeldes Bürgermeister Frank Gerhard (SPD) in der Stichwahl hinter sich - schon allein deshalb, weil Gerhard sich von einem Unternehmen zu einer teuren Kurzreise in die Schweiz einladen ließ und deshalb unter Korruptionsverdacht steht. Es war auch vorher klar: Die geforderte Mindestanzahl von 20 695 Stimmen würde die größere Hürde sein. Es schien im Grunde festzustehen, dass Wehlan an dieser Hürde scheitert. Überraschend machte sie es am Sonntagabend aber spannend. Zwischendurch sah es sogar so aus, als könnte Wehlan es doch schaffen. Am Ende fehlten laut vorläufigem Wahlergebnis lediglich 541 Stimmen.

Es besteht zwar eine rein theoretische Chance, dass diese 541 Stimmen bis zur Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses am Donnerstag durch den Kreiswahlausschuss noch gefunden werden. Praktisch wird das aber nicht klappen. Die Chance »tendiert gegen Null«, bemerkte Kreiswahlleiterin Christiane Spalek am Montag. »Das müsste ein ganz kurioser Fehler sein.« Denn das vorläufige Wahlergebnis wird aus den Schnellmeldungen aus den Städten und Gemeinden zusammengesetzt. Via Internet gehen diese Meldungen ein. Das Programm, in das die einzelnen Daten einfließen, prüft die Zahlen auf Plausibilität. Wenn beispielsweise für ein bestimmtes Wahllokal mehr Stimmen angegeben würden als es dort Wahlberechtigte gibt, so würde das System eine Fehlermeldung ausspucken. In Großbeeren habe die Übertragung via Internet nicht funktioniert, berichtete Kreiswahlleiterin Spalek. Von dort sei das Ergebnis aber per Fax übermittelt worden. Eine Korrektur im endgültigen Wahlergebnis hat es bislang weder bei der ersten Runde der Landratsdirektwahl am 24. März, noch bei anderen Wahlen in Teltow-Fläming gegeben, sagte Spalek.

Sechs Monate Hängepartie

Die LINKE muss sich wohl oder übel damit abfinden, grandios gekämpft und super abgeschnitten zu haben, aber doch knapp gescheitert zu sein. Kornelia Wehlan freute sich dennoch auch gestern noch über den »großen Wahlerfolg«. Der deutliche Abstand zu Frank Gerhard, der sogar in seinem heimatlichen Ludwigsfelde noch Stimmen einbüßte, sei ein Zeichen, dass die Bürger wirklich eine kompetente Frau als Landrätin wollten und deshalb Kornelia Wehlan ankreuzten, sagte die Politikerin. Es habe keineswegs nur daran gelegen, dass Gerhard unter Korruptionsverdacht steht.

Der Kreistag tritt das nächste Mal am 22. April zusammen. Den neuen Landrat wird das Parlament dann allerdings längst noch nicht wählen können. Der Posten muss jetzt deutschlandweit ausgeschrieben werden. Auch die Fraktionen müssen sich erst noch verständigen. So ist mit einer Wahl frühestens im September zu rechnen.

Möglich wäre es, dass sich Wehlan bewirbt. Ob sie es tatsächlich tut, vermag sie noch nicht zu sagen. Eigentlich wäre es nur folgerichtig, wenn der Kreistag sich auf die Frau als Landrätin einigen würde, die es beinahe schon durch die Direktwahl geworden wäre. Auch Grünen-Landeschefin Annalena Baerbock hofft, »dass der Kreistag dem eindeutigen Wählervotum Rechnung trägt«. Alles andere wäre »absoluter Hohn«, meinte Baerbock am Montag. Aber die knapp gescheiterte Kornelia Wehlan weiß, so logisch läuft es nicht in der Politik. Bevor sie eine Bewerbung ins Auge fasst, möchte sie Signale der anderen Parteien abwarten.

Direktwahl mit Nummern

Der Landkreis hätte angesichts der schwierigen Aufgaben, die zu lösen sind, eigentlich keine Hängepartie von einem halben Jahr gebrauchen können, bedauerte Wehlan. Teltow-Fläming plagt sich nämlich mit einem Schuldenberg von 50 Millionen Euro. Dabei galt der Landkreis vor einem knappen Jahrzehnt noch als Musterschüler beim wirtschaftlichen Aufschwung in Ostdeutschland. Hier ging es voran, während anderswo Stagnation herrschte. Doch nun gibt es ein Haushaltsdefizit von vier Millionen Euro. Einnahmen von 204 Millionen Euro im Jahr stehen Ausgaben in Höhe von 208 Millionen Euro gegenüber. Diese Lücke sei bis zum 30. Juni zu schließen, sagte Wehlan. Wenn es nach ihr ginge, dürfte bei den freiwilligen Aufgaben wie Jugend und Kultur nicht gekürzt werden. Die freiwilligen Leistungen machen ohnehin nur fünf Prozent der Ausgaben aus. »Das rettet uns auch nicht«, glaubt Wehlan. Elternbeiträge für die Schulbusse wieder einführen oder aus Kostengründen die Hälfte der Haltepunkte der Fahrbibliothek streichen, »das kann es ja nicht sein«.

Erst seit dem Jahr 2010 können und sollen in Brandenburg die Landräte direkt durch die Bürger gewählt werden. Diese Möglichkeit ist der regierenden SPD einst in zähem Streit abgerungen worden. Landratsdirektwahlen sind inzwischen bereits zum sechsten Mal an der erforderlichen Mindestanzahl der Stimmen gescheitert.

Die Mindestanzahl wird jeweils neu errechnet: 15 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten muss der Sieger haben, um wirklich Landrat zu werden. Nur ein einziges Mal klappte dies bislang. Das war in am 24. Januar 2010 in Oberspreewald-Lausitz, wo Siegurd Heinze (CDU) das sogenannte Quorum schaffte. Als Konsequenz aus dem neuerlichen Scheitern am Quorum in Teltow-Fläming regte der SPD-Generalsekretär Klaus Ness an, die Landratsdirektwahl wieder abzuschaffen.Damit ist Wehlan nicht einverstanden. Sie forderte stattdessen: »Weg mit dem Quorum!« In Brandenburgs Partnerland Nordrhein-Westfalen, dem so viel nachgemacht wurde, gebe es das Quorum auch nicht.

Grünen-Chefin Baerbock sieht das ähnlich und verlangt »Demokratie ohne doppelten Boden«. Mit dem Quorum sei in die Landratsdirektwahl eine Hintertür eingebaut, »die Politikverdrossenheit verstärkt, anstatt sie zu beheben«, urteilte Baerbock.

Der Verein »Mehr Demokratie« bezeichnet die Stichwahl ein paar Wochen nach der ersten Wahlrunde als das »Hauptproblem«. Spätestens beim zweiten Wahlgang sinke die Beteiligung, erkannte Vorstand Oliver Wiedmann. Seiner Ansicht nach sollte die Stichwahl schon in die erste Abstimmungsrunde einbezogen werden. Dabei würden die alle Kandidaten nach ihrem Gutdünken durchnummerieren und damit anzeigen, wen sie bevorzugen. Bei diesem Verfahren könnten die Stimmen der ausgeschiedenen Kandidaten auf die beiden Bewerber mit den besten Ergebnissen neu aufgeteilt werden. Der Sieger stünde dann sofort fest. Außerdem schlug Wiedmann vor, die Landratswahlen an die Kommunalwahlen zu koppeln.