Wenn Blöcke sich blockieren

Pattsituation bei der Regierungsbildung beeinträchtigt auch die Wahl des Staatsoberhaupts

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.
In Italien beginnt heute die Wahl des Staatspräsidenten. Amtsinhaber Giorgio Napolitano (87) tritt am 15. Mai ab. Gleichzeitig wird weiter um die Bildung einer Regierung gerungen. Beide Themen sind miteinander verknüpft: Die Mehrheit, die sich für den neuen Präsidenten findet, dürfte auch für die Regierungsbildung wegweisend sein. Doch das Patt zwischen den Großparteien lässt derzeit noch keine Einigung auf ein neues Staatsoberhaupt zu.

In Italien stehen sich drei in etwa gleich große politische Blöcke gegenüber: Auf der einen Seite die Demokratische Partei (PD), die zwar in der Abgeordnetenkammer, nicht aber im Senat über eine Mehrheit verfügt. Zugleich hat sie mit großen internen Problemen zu kämpfen. Gerade in den letzten Tagen haben die Spannungen in der Partei zugenommen: Die Anhänger des Parteisekretärs Pierluigi Bersani, die eine Zusammenarbeit mit Silvio Berlusconi kategorisch ausschließen, stehen denen von Matteo Renzi gegenüber, die den Dialog mit den Konservativen suchen. Streitigkeiten und Beschimpfungen zwischen beiden Gruppe gehen inzwischen weit über das »normale Maß« hinaus, so dass niemand mehr ausschließen kann, dass die Partei sich über kurz oder lang spaltet.

Der zweite Block ist Beppe Grillos »Bewegung fünf Sterne« (M5S). Auch bei ihr scheint es zu brodeln, obwohl in der Öffentlichkeit nur wenig über die internen Diskussionen bekannt wird. Klar ist, dass ein Teil der M5S im Namen einer radikalen Veränderung der politischen Landschaft Italiens eine Zusammenarbeit mit den Demokraten nicht ausschließt. Beppe Grillo selbst will das jedoch auf keinen Fall: Er und sein engster Vertrauter Gianroberto Casaleggio, der gern als »Guru« der Partei bezeichnet wird, grenzen sich von allen anderen Parteien ab.

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Kandidaten

Milena Gabanelli (58), Giuliano Amato (74), Romano Prodi (73), Massimo D'Alema (64) (v.o.n.u.)

Lexikon: Wie wird gewählt?

Der Staatspräsident wird von den »Großen Wählern« gewählt: Das sind die 630 Abgeordneten, 315 Senatoren und 58 Vertreter der Regionen; dazu kommen die Senatoren auf Lebenszeit (die vom Staatspräsidenten ernannt werden). Das wären insgesamt 1007 Personen, aus Gesundheitsgründen werden wahrscheinlich aber nicht alle an der Wahl teilnehmen. Mehr

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Die dritte große Partei ist das rechte »Volk der Freiheit« (PdL), das hinter dem ehemaligen Regierungschef Silvio Berlusconi steht. Wer Italiens Präsident werden will, braucht die Zustimmung von zwei der drei großen Parteien. Dasselbe gilt für die Regierungsbildung. Die kleineren Parlamentsparteien spielen dabei keine Rolle.

Die Demokraten haben bisher noch keinen offiziellen Präsidentschaftskandidaten benannt. Aussichtsreich scheinen vor allem Giuliano Amato (Jurist und ehemaliger Ministerpräsident) und Romano Prodi (Chef der ersten Mitte-Links-Regierung Italiens und früherer oberster EU-Kommissar) zu sein. Aber auch die Namen Massimo D’Alema (ebenfalls ein ehemaliger Ministerpräsident und Parteichef der Demokraten) und Franco Marini (ehemaliger Senatspräsident) stehen im Raum.

Prodi könnte auch Grillos M5S gefallen, D’Alema wiederum den Wahlmännern und -frauen des PdL. Aber ähnlich wie bei einer Papstwahl ist es auch bei der Kür des italienischen Staatsoberhauptes so, dass die Personen, deren Namen am häufigsten genannt werden, meistens nicht gewählt werden. Gerade die Demokraten könnten im letzten Moment eine Persönlichkeit aus der Zivilgesellschaft benennen, die in einem der beiden anderen Lager die für die Wahl notwendigen Stimmen »fischen« kann.

In den vergangenen Tagen haben die Anhänger der M5S ihren Kandidaten gekürt: Es ist Milena Gabanelli, eine kritische Enthüllungsjournalistin, die für das staatliche Fernsehen RAI arbeitet. Frau Gabanelli wurde vom »harten Kern« der Partei im Internet bestimmt: Nur wer bereits seit Ende vergangenen Jahres dabei ist, durfte sich äußern. Insgesamt sollen etwa 50 000 Stimmen abgegeben worden sein. Die Verantwortlichen der M5S-Parlamentsfraktionen haben erklärt, dass sie sich auf keine Verhandlungen einlassen und ihre Kandidatin zumindest in den ersten Wahlgängen geschlossen verteidigen werden.

Das rechte PdL hat im Augenblick zwei Kandidaten, die allerdings aussichtslos sind: Silvio Berlusconi selbst und dessen langjährigen Mitarbeiter Giovanni Letta. Die Partei hat allerdings erklärt, dass sie bereit wäre, einen Kandidaten der Demokraten zu wählen, wenn die PD sich auf eine große Koalition einlasse. Man will »im Paket« über das höchste Amt im Staat und die Regierungsbildung verhandeln, was zumindest der Großteil der Demokraten entschieden ablehnt.

Wie man die Dinge auch dreht und wendet: In Italien sind derzeit weder ein Präsident noch eine Regierung in Sicht. Zwar kann das Land noch eine Weile ohne Exekutive dahintreiben - ein Staatspräsident muss aber schnell gefunden werden! Nur er könnte eventuell Neuwahlen ansetzen oder eine »kleine Lösung« anstreben, also eine Regierung ohne eine politische Mehrheit berufen, die nur so lange im Amt bleibt, bis zumindest ein neues Wahlgesetz verabschiedet ist. Derweil verschlechtert sich die wirtschaftliche und soziale Lage im Land fast täglich.

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