Rechte im Aufwind

Paraguays Oligarchie steht vor dem Ausbau ihrer Macht

  • Gert Eisenbürger
  • Lesedauer: 4 Min.
An Sonntag wird in Paraguay gewählt. Alles sieht danach aus, dass die Wahlen den Putsch gegen den linken Präsidenten Fernando Lugo von 2012 vollenden, indem die traditionellen Parteien Colorado und Liberale die Macht zurückerobern. Horacio Cartes, der Präsidentschaftskandidat der Colorado-Partei, hat beste Chancen, neuer Staatschef zu werden.

Der parlamentarische Putsch steht vor seiner Vollendung: Am 25. Juni 2012 wurde der gemäßigt linke Präsident Fernando Lugo vom paraguayischen Parlament seines Amtes enthoben und durch den rechtsliberalen Vizepräsidenten Federico Franco ersetzt. Mit den Neuwahlen am Sonntag wird dem dubiosen Vorgehen nun ein demokratisches Mäntelchen übergehängt, um Paraguays Isolierung in Lateinamerika zu überwinden.

Sowohl das juristisch zweifelhafte Prozedere als auch die fingierten Gründe für die Amtsenthebung ließen die lateinamerikanischen Nachbarstaaten und internationale Beobachter/innen von einem »parlamentarischen Putsch« sprechen. Denn beide Parlamentskammern waren von den traditionellen Parteien der Oligarchie, den rechten Colorados (ANR-PC) und den konservativen Liberalen (PLRA), kontrolliert. Denen war die vorsichtige Reformpolitik der Regierung Lugo ein Dorn im Auge.

Der große Putsch findet am 21. April statt

Francisco de Paula Oliva, genannt P’aí (Guaraní für Vater), gilt als wichtigster paraguayischer Befreiungstheologe. Der 84-jährige Jesuit ist Journalist, Initiator von Bildungsprojekten für sozial Benachteiligte und politischer Analytiker. Wegen seiner sozialpolitischen Arbeit verwies ihn die Stroessner-Diktatur 1969 des Landes. 1996 kehrte er nach Paraguay zurück. Mit ihm sprach für »nd« in Asunción Gerhard Dilger. Zum Interview

Dass es bei den Wahlen 2008 nach 60 Jahren Colorado-Regierungen (darunter die 30 Jahre der Stroessner-Diktatur) überhaupt zu einem Wahlsieg Fernando Lugos kommen konnte, war mehreren Besonderheiten geschuldet. Der ehemalige Bischof Lugo profitierte vor allen von den Machtkämpfen innerhalb der rechten ANR-PC, deren Kandidatin von beträchtlichen Teilen der Partei nicht unterstützt wurde. Dagegen wurde die Kampagne Lugos auch von der liberalen PLRA mitgetragen. Diese gemäßigt konservative Partei hatte zwar mit dem sozialen Reformprogramm Lugos und der ihn unterstützenden Mitte-Links-Parteien nichts zu tun, hoffte aber, mit Hilfe des populären Ex-Bischofs die Hegemonie der ANR-PC brechen zu können.

Im Laufe der Regierungszeit Lugos traten die Widersprüche zwischen den Liberalen und reformorientierten Kräften in der Regierung jedoch immer stärker zu Tage. Am Ende betrieb die PLRA zusammen mit der ANR-PC die Absetzung Lugos.

Vor diesem Hintergrund war 2013 eine Neuauflage der Allianz zwischen Liberalen und den Mitte-Links-Kräften ausgeschlossen. Zwar warb der PLRA-Kandidat Efraín Alegre um deren Unterstützung, doch lediglich die kleine zentristische PDP ging darauf ein und stellt nun mit Rafael Filizzola (Innenminister der Regierung Lugo) den Vizepräsidentschaftskandidaten Alegres.

Bei der rechten ANR-PC sah es zunächst aus wie 2008. Erst nach einem langen Gerangel der verschiedenen Machtgruppen und Provinzfürsten nominierte die Partei den Unternehmer Horacio Cartes. Und das, obwohl über Wikileaks längst bekannt war, dass ihn die US-Antidrogenbehörde DEA wegen Verbindungen zur Kokainmafia observiert hatte.

Dagegen treten die fortschrittlichen Kräfte mit drei verschiedenen Wahlbündnissen an. Da ist zunächst das Bündnis »Avanza País«, für das der populäre Fernsehmoderator Mario Ferreiro kandidiert. Zu »Avanza País« gehören unter anderem die kleine sozialdemokratische PRF, die christdemokratische (nach europäischen Kriterien linksreformistische) PDC und die recht aktiven Grünen - allesamt Parteien, die an der Regierung Lugo beteiligt waren. Auch Aníbal Carillo, der Kandidat des zweiten Bündnisses, der »Frente Guasu«, kommt aus der PRF. Programmatisch unterscheiden sich »Avanza País« und die »Frente Guasu« kaum. Widersprüche zwischen Mario Ferreiro und Fernando Lugo, der nur Aníbal Carillo als Kandidat akzeptieren wollte, verhinderten letztlich eine gemeinsame Front.

Als drittes Bündnis stellt sich die feministische Frauenplattform »Kuña Pyrenda« zur Wahl. Deren Kandidatin, die Autorin Lilian Soto, gehörte als Ministerin für Öffentliche Angelegenheiten dem Kabinett Lugos ein. Derart gespalten wird das Mitte-Links-Spektrum den Ausgang der Präsidentschaftswahlen kaum beeinflussen. Ferreiro lag kurz vor den Wahlen in Umfragen bei acht bis zehn Prozent der Stimmen, Carillo bei zwei bis vier Prozent und Lilian Soto bei rund einem Prozent. Alle drei Bündnisse streben vor allem eine stärkere Präsenz im Parlament an. 2008 hatten sich die Linken auf die Kampagne für Fernando Lugo konzentriert und die Parlamentskandidaturen weitgehend den Liberalen überlassen. Das rächte sich später bitter.

In fast allen Umfragen für das Präsidentenamt liegt Horacio Cartes von der ANR-PC deutlich in Führung. Um seine drohende Niederlage abzuwenden, versuchte der Liberale Efraín Alegre in den letzten Wochen, seine Basis zu verbreitern. So schloss er eine Allianz mit der ultrarechten Partei UNACE, deren Präsidentschaftskandidat Lino Oviedo Anfang Februar bei einem dubiosen Hubschrauberabsturz ums Leben kam. Gleichzeitig umgarnt er weiter die reformistischen Kräfte. Inzwischen riefen die Christdemokraten und die bei städtischen Jugendlichen populäre linksliberale Partei »Despertar Ciudadano« dazu auf, bei den Präsidentschaftswahlen Alegre als geringeres Übel zu wählen, um die Rückkehr der Colorados an die Macht zu verhindern. Cartes bleibt dennoch Favorit.

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