Franzosen bleiben hetero

Der Kampf um die Homo-Ehe ist mit der Parlamentsabstimmung nicht zu Ende

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Verfechter eines überkommenen Familienmodells müssen heute in Frankreich hinnehmen, dass die Nationalversammlung endgültig die Homo-Ehe beschließen wird.

Das Gesetz über das Recht gleichgeschlechtlicher Paare auf Eheschließung und Adoption steht am Dienstag zur zweiten und abschließenden Abstimmung in der Nationalversammlung. Über den Erfolg dieser von François Hollande im Präsidentschaftswahlkampf versprochenen Reform gibt es keinen Zweifel, da die Sozialisten über die Mehrheit im Parlament verfügen und nicht nur fast all ihre Abgeordneten, sondern auch die meisten der Linksfront sowie selbst einige Zentrums- und rechte UMP-Abgeordnete für das Gesetz stimmen werden.

Dies hielt die Gegner der Homo-Ehe jedoch nicht ab, ihr Missfallen in den vergangenen Wochen immer extremer und aggressiver in die Öffentlichkeit zu tragen. In der Nacht zu Freitag wurden gar rechte Abgeordnete gegenüber Vertretern der Linksregierung handgreiflich, so dass Ordnungskräfte die Minister schützen mussten.

Hindernisse unterm Regenbogen

Zwei Mütter, ein Kind - und jede Menge Probleme. Ein lesbisches Paar aus Berlin erzählt von seiner Familiengründung. Mehr

Die Führung der oppositionellen rechten Einheitspartei UMP wirft dem Präsidenten und der Regierung vor, sich in einer in der Gesellschaft kontrovers diskutierten Frage mit Hilfe ihrer Parlamentsmehrheit über Kritiker hinwegzusetzen. Die UMP will das Gesetz nach der Annahme im Parlament vor den Verfassungsrat bringen. Außerdem kündigte sie an, im Falle ihres Wahlsieges 2017 das Gesetz aufzuheben und über die Homo-Ehe eine Volksabstimmung durchführen zu lassen.

Die Rechte kann sich dabei auf die Teile der Bevölkerung stützten, die sich in den vergangenen Monaten massiv an Demonstrationen beteiligten. Die vorläufig letzte fand am Sonntag in Paris statt. Daran nahmen nach Angaben der Organisatoren 270 000 Menschen teil, darunter viele Familien mit Kindern. Laut Polizei waren es nur 45 000. In jedem Fall lag die Teilnehmerzahl deutlich geringer als noch am 24. März, als die Organisatoren die Proteste mit 1,4 Millionen Menschen bezifferten, die Polizei mit 300 000 Teilnehmern.

Am Platz der Bastille kamen laut Nachrichtenagentur AFP gleichzeitig tausende Befürworter der Homo-Ehe und des Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare zusammen, um »für Gleichheit und gegen Homophobie« zu demonstrieren.

Anders als zuletzt kam es aus den Reihen der Gegner des Gesetzes, die etwa Plakate mit der Aufschrift »Das Kind ist kein Recht« zeigten, nicht zu gewalttätigen Ausschreitungen. Allerdings hat es nie so viele tätliche Angriffe auf Lokale, die Lesben, Schwule und Trans besuchen, oder auf gleichgeschlechtliche Paare gegeben wie in den letzten Wochen. Die rechtsextreme Front National (FN) hat diese politische Stimmung geschickt genutzt, um in den Medien und bei den Demonstrationen de facto an der Seite der UMP gegen das Gesetz aufzutreten, während die UMP-Führung bisher jegliches Zusammengehen mit der FN tunlichst abgelehnt hatte.

Da die Gegner des Gesetzes bereits angekündigt haben, dass sie die Kommunalwahlen 2014 für ihre Ziele nutzen und eigene Kandidaten aufstellen oder ihnen gewogene Kandidaten unterstützen wollen, ist abzusehen, dass es vor Ort erstmals zu Bündnissen zwischen UMP und FN kommen dürfte. Doch trotz der lautstarken und massiven Aktionen der Gegner des Gesetzes, die von der Linksregierung ganz offensichtlich so nicht erwartet worden waren, sind der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts BVA zufolge nach wie vor zwei Drittel der Franzosen für das Recht gleichgeschlechtlicher Paare auf Eheschließung. Anders sieht es beim Recht auf Adoption aus, das von 53 Prozent der Befragten abgelehnt wird. Von der rechten Opposition gegen die Linksregierung und ihr Gesetz instrumentalisiert wurde die noch darüber hinaus gehende Forderung von Lesben- und Schwulenverbänden sowie einzelnen Abgeordneten der Sozialisten und Grünen nach einem Recht auf künstliche Befruchtung und auf »Leihmütter«, um gleichgeschlechtlichen Paaren den Kinderwunsch zu erfüllen. Das hatte Hollande nie in Aussicht gestellt. Doch mit dieser an die Wand gemalten Möglichkeit und mit dem Adoptionsrecht haben die Gegner der Homo-Ehe erfolgreich Stimmung gemacht.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal