nd-aktuell.de / 26.04.2013 / Politik / Seite 8

Schweiz will weniger EU-Bürger

Eidgenossenschaft senkt Arbeitserlaubnisse

Steffen Klatt, Zürich

Die Schweiz ist in den vergangenen zehn Jahren praktisch ein EU-Land geworden, jedenfalls auf dem Arbeitsmarkt und für die Bürger der alten EU-Länder. Wer eine Arbeit fand - und das war angesichts des Fachkräftemangels in der Schweiz nicht besonders schwierig -, war willkommen. In den vergangenen Jahren sind jährlich rund 70 000 neue Einwohner ins Land gekommen. Die Deutschen stellten die größte Gruppe der Neuankömmlinge, gefolgt von den Portugiesen. Die Bevölkerung der Schweiz wuchs damit um ein Prozent pro Jahr, schneller als in vielen anderen Ländern Europas. Das hatte Folgen: Die Mieten gerade in den Ballungsräumen Zürich, Basel und am Genfersee explodierten, während die Löhne in vielen Branchen stagnierten. Die Infrastruktur ist überlastet. In Teilen der Bevölkerung macht sich Angst vor »Überfremdung« breit.

Nun tritt der Bundesrat - die siebenköpfige Landesregierung - auf die Bremse und ruft die sogenannte Ventilklausel im bilateralen Abkommen mit der EU über die Personenfreizügigkeit an. Sie erlaubt es, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu begrenzen. So sollen im kommenden Jahr nur noch 53 700 Bürger der alten EU-Länder eine Arbeitserlaubnis in der Schweiz erhalten und nur noch 2180 Bürger aus den 2004 beigetretenen osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten.

Die sozialdemokratische Justizministerin Simonetta Sommaruga sieht in der Schließung des Arbeitsmarktes keine Absage an die Personenfreizügigkeit. »Gesellschaftsverträglich ist die Zuwanderung nur, wenn sich die Schweizer darauf verlassen können, dass ihre Bedürfnisse gehört werden.« Damit hat Sommaruga wohl den eigentlichen Grund der Maßnahme angesprochen: Im nächsten Jahr stimmen die Schweizer gleich dreimal über die Personenfreizügigkeit ab. Wird sie auch nur einmal abgelehnt, dann wird sie auf Dauer gestoppt. Damit würde gleichzeitig die Einbindung der Schweiz in den EU-Binnenmarkt hinfällig.

Die Beschränkung des Arbeitsmarkts allein löst allerdings die Probleme der Zuwanderung nicht. Die Regierung will deshalb noch vor dem Sommer ein Konzept über die Sicherung günstigen Wohnraums vorlegen und Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf treffen.

Aus Brüssel wurde sofort Kritik laut. »Die EU misst der Personenfreizügigkeit im Kontext der gesamten Beziehungen zur Schweiz eine hohe Bedeutung zu«, sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton.