nd-aktuell.de / 27.04.2013 / Politik / Seite 8

Wie stoppt man das Sterben der Textilarbeiter?

Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, über die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie Bangladeschs

Jörg Meyer

nd: Herr Löning, Sie haben Anfang der Woche Gewerkschafter zum Gespräch über die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie eingeladen. Warum?
Löning: Unter anderem hat der Vorsitzende der Textilarbeitergewerkschaft in Bangladesch, Amirual Haque Amin, aus der Sicht der dort Beschäftigten die Lage geschildert. Es ist wichtig für uns, diese Informationen aus erster Hand zu bekommen.

Von internationalen Gewerkschaften gibt es einen Vorschlag für ein Brandschutzabkommen, dass bislang nur der New Yorker Branchenriese PVH und Tchibo unterzeichnet haben. Es fehlen aber noch Unterschriften von anderen großen Konzernen, damit es in Kraft treten kann. Werden Sie nach dem Treffen jetzt auch dafür werben?
An dem gewerkschaftlichen Ansatz finde ich sehr klug, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die zentrale Monitoringinstanz sind - also die Überprüfungen der Sicherheitsstandards selbst mit in der Hand haben. Das ist auch das Beste, denn sie sind es ja, die täglich vor Ort sind. Trotzdem ist es in erster Linie wichtig, dass sich eine relevante Anzahl von Akteuren aus der Bekleidungsindustrie zusammensetzt und verbindliche Standards setzt.

Wieso fällt es denn augenscheinlich den Firmen in Europa so schwer, sich Regeln zu geben, die auch ein gehalten werden?
In den letzten Jahren hat sich viel getan. Das reicht aber noch nicht. Bei dem verheerenden Brand in einer Bekleidungsfabrik in Pakistan im September haben wir gesehen, dass die Firma erst kurz davor überprüft worden ist. Wie kann es dann geschehen, dass sie kurz danach abbrennt? Da kann ja etwas nicht stimmen. Aber die Verantwortung liegt nicht bei den Unternehmen allein.

Das heißt?
Die primäre Verantwortung für die Durchsetzung der Gesetze, für die Einhaltung von Mindestlöhnen, von Arbeitsstandards und von Bauvorschriften liegt bei der jeweiligen Landesregierung.

Was sehen Sie an der Stelle für Probleme?
In der Region ist die Korruption weit verbreitet. Das ist ein Riesenproblem, weil Korruption dazu führt, dass Gesetze umgangen werden und Kontrollen nicht transparent und unabhängig ablaufen. Darum will ich nicht allein die Firmen in Bausch und Bogen verdammen.

Was kann hier getan werden, damit dort das Sterben in den Bekleidungsfabriken dort aufhört?
Da gibt es unterschiedliche Handlungsstränge. Als Konsumenten müssen wir wissen, dass ein T-Shirt für 4,99 Euro nicht zu guten Bedingungen produziert worden sein kann. Bei einem T-Shirt für 14,99 Euro können wir uns zwar auch nicht sicher sein, aber zumindest steigt die Chance. Die Modeunternehmen sind allesamt auf ihren Ruf bedacht und reagieren empfindlich auf Kritik. Dieser Macht müssen wir uns als Kunden bewusst sein.

Auf der anderen Seite müssen wir die Unternehmen dazu anhalten, Global Compact, dem internationalen Pakt für eine soziale und ökologische Entwicklung, beizutreten.

Und letztens können wir die Länder über Entwicklungshilfe darin unterstützen, dass die Korruption bekämpft und verlässliche Regierungen und ein Rechtssystem aufgebaut werden.