nd-aktuell.de / 02.05.2013 / Politik / Seite 20

»Wie ein Feld mit Stacheldraht«

Amanda Knox veröffentlicht Autobiografie

Pat Reber und Emoke Bebiak, dpa
Erstmals seit ihrer Freilassung hat Amanda Knox in einem TV-Interview über ihren Fall geredet. Auch in einem Buch beteuert die 25-Jährige erneut, nichts mit dem spektakulären Mordfall 2007 in Perugia zu tun gehabt zu haben. Zugleich kritisiert sie Italiens Ermittler scharf.

Amanda Knox macht erneut Schlagzeilen - doch diesmal geht es um ihre Version eines spektakulären Mordfalles, für den sie 2009 in Italien zunächst zu 26 Jahren Haft verurteilt worden war. In einem Interview, das der US-Sender ABC am Dienstagabend (Ortszeit) ausgestrahlt hat, kämpfte die 25-jährige Amerikanerin mit den Tränen, während sie erneut ihre Unschuld beteuerte. »Nein«, sagte sie auf die Frage, ob sie 2007 an dem Mord an ihrer britischen Mitbewohnerin Meredith Kercher in der Universitätsstadt Perugia beteiligt gewesen sei.

Knox und ihr damaliger italienischer Freund Raffaele Sollecito waren 2011 in einem Berufungsprozess freigesprochen worden. Nun soll das Verfahren in Italien neu aufgerollt werden. Davor schrecke sie zurück, räumte Knox in dem Gespräch ein: »Ich fühlte mich so, als wäre ich über ein Feld mit Stacheldraht gekrochen. Am Ende angelangt stellte sich aber heraus, dass es nur der Horizont war und ich über ein weiteres Feld mit Stacheldraht kriechen muss.«

Der Zeitpunkt des Interviews war kein Zufall. Stunden zuvor war Knox' Autobiografie »Zeit, gehört zu werden« (engl. »Waiting to Be Heard«) erschienen. Knapp vier Millionen Dollar soll sie als Voraushonorar bekommen haben.

In dem Buch schreibt Knox, die italienische Polizei habe sie unter Druck gesetzt und zu missverständlichen Aussagen gedrängt: »Ich war zwanzig und kaum mit ihrer Sprache vertraut. Sie kannten nicht nur die Gesetze, sondern es war auch ihre Aufgabe, Menschen zu manipulieren. Sie mussten Verbrecher drangsalieren, einschüchtern und demütigen, um ihnen Geständnisse abzuringen.«

Kercher war mit durchschnittener Kehle und halbnackt gefunden worden. Seinerzeit war von Sexspielen die Rede, die außer Kontrolle geraten seien. Nach dem Mord nannten italienische Medien Knox »Engel mit den Eisaugen« oder »Teufelin mit Engelsgesicht«. Im Interview sagte die 25-Jährige, die Beschimpfungen außerhalb des Gerichtssaals seien ihr kleinstes Problem gewesen. »Etwas anderes ist es aber, in einem Gerichtssaal um dein Leben zu kämpfen, während die Menschen dich einen Teufel nennen.« In der Mordnacht sei sie bei ihrem Freund gewesen. Sich selbst beschreibt Knox in dem Buch als naive, verängstigte Jugendliche, die sich im italienischen Justizsystem verfing und versuchte zu verstehen, was mit ihr geschah.

Zugleich verrät sie, vor dem Mordfall und ihrer Verhaftung habe sie das Leben eines Partygirls mit wechselnden Partnern geführt. »Ich war stolz auf diese Erfahrung von unverbindlichem Sex in gegenseitigem Einvernehmen, fühlte mich aber zugleich verlegen und fehl am Platz«, schreibt sie über ihren ersten One-Night-Stand. Und fügt hinzu: »Ich wusste noch nicht, ob ich die Sache bereuen würde oder nicht. Auch konnte ich nicht vorhersehen, dass mein privates, zweifelhaftes Experiment publik werden und mich damit ins Verderben stürzen würde.« Sie habe geglaubt, dass Promiskuität das sei, »was alle selbstbewussten und freigeistigen Frauen tun«, sagte sie dazu im ABC-Interview. In der Autobiografie erzählt sie zudem, dass sie oft mit ihren Mitbewohnern, darunter auch das spätere Mordopfer, Marihuana geraucht habe: »Marihuana war in unserem Haus so normal wie Pasta.«

Nach ihrer Freilassung war Knox in ihre Heimatstadt Seattle zurückgekehrt. Ob die USA sie zur Neuverhandlung des Falles ausliefern, ist unklar: Nach US-Recht kann niemand zweimal für dasselbe Verbrechen vor Gericht gestellt werden.