nd-aktuell.de / 06.05.2013 / Politik / Seite 5

Wettrennen, Lostöpfe, Klagen

Der Streit um die Presseplätze

Markus Drescher

»Brigitte«. Das letzte Medium, das im Losverfahren um die Presseplätze im Gerichtssaal gezogen worden war, erntete auf der Pressekonferenz des Oberlandesgerichts München Gelächter. Bei Twitter war die Platzvergabe an die Frauenzeitschrift für einen der wichtigsten politischen Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik ein einfaches Ziel für Spott und Häme.

Doch nicht die Zeitschrift ist lächerlich. Ihr Losglück, das etwa namhaften überregionalen Tageszeitungen verwehrt blieb, war nur das Sahnehäubchen auf dem absurd großen Haufen von Fehleinschätzungen, Pannen und Ignoranz, den das Oberlandesgericht beim Akkreditierungsverfahren zuvor aufgetürmt hatte.

Nach dem »Windhundprinzip« waren die 50 Plätze im ersten Anlauf vergeben worden. Wer schnell genug vom Beginn des Verfahrens erfuhr, rechtzeitig seine Mail abschickte und unter den ersten 50 war, durfte sich freuen. Ganz simpel. Zu simpel für die Anforderungen eines Prozesses, in dem über die Morde von Rechtsterroristen an neun Migranten verhandelt wird. Das Ergebnis war, dass kein einziges türkisch- oder griechischsprachiges Medium einen Platz im Gerichtssaal bekam. Es stellte sich die Frage, ob nach den rassistischen Ermittlungen gegen die Angehörigen der Mordopfer und den fast täglichen Meldungen über das behördliche Desinteresse gegenüber den neonazistischen Straftaten auch beim Prozess Ignoranz und nicht die von vielen Seiten gelobte Sensibilität regieren würde.

Statt eines geordneten Verfahrens, bei dem man den Eindruck gewinnen konnte, ja, da hat jemand mitgedacht, standen kurz vor Prozessbeginn eine Diskussion über die Größe des Gerichtssaals, eine mögliche Videoübertragung in einen zweiten Saal, die Kompetenz des Oberlandesgerichts und Klagen in Karlsruhe im Zentrum. Ins Hintertreffen in dieser Auseinandersetzung geriet dabei die inhaltliche Beschäftigung mit Taten und Opfern.

Dem Bundesverfassungsgericht und seiner Entscheidung, dass ausländische Medien direkt berichten können müssen, ist es zu danken, dass die Notbremse und die Presseplätze aus Lostöpfen gezogen wurden. Auch wenn damit nun die »Brigitte« zu den Berichterstattern gehört.

Markus Drescher