Antifaschisten bleiben ohne Würdigung

Teupitz verzichtet auf Ehrung von SPD-Mitgliedern

Wie entwickelten sich die konkreten politischen Verhältnisse in brandenburgischen Kleinstädten während der Weimarer Republik und der Nazi-Zeit? Im Detail wurde das bislang nur in wenigen Fällen untersucht. Für das kleine Teupitz südlich von Berlin liegt dazu eine Broschüre vor, die auch die heutige Stadtpolitik beschäftigt.

Mit der Geschichte von Teupitz im brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald beschäftigt sich Lothar Tyb'l schon sehr lange. Besonders gefesselt hat ihn der Sozialdemokrat Paul Koch. Dieser hatte sich 1933 gemeinsam mit seinen Genossen Arthur Beyer und Otto Hofmann demonstrativ hingesetzt und geschwiegen, als die Nazis zum Zeichen ihres Sieges das Horst-Wessel-Lied anstimmten. Sie wurden deswegen aus dem Stadtparlament hinausgeworfen.

Tyb'l regte in den vergangenen zehn Jahren mehrfach an, die drei mutigen Antifaschisten zu ehren. In der vergangenen Woche vergaben die Stadtverordneten von Teupitz eine Chance. Bernd-Axel Lindenlaub (SPD) zog den Antrag auf öffentliche Würdigung zurück, nachdem die CDU ihre Ablehnung signalisiert hatte. Begründet wurde dies der »Märkischen Allgemeinen« zufolge nicht nur mit einem Brief der Tochter und der Enkeltochter Paul Kochs, in dem es hieß: »Er hätte nie gewollt, in aller Öffentlichkeit geehrt zu werden.« Behauptet wurde im Parlament auch: »Was die drei getan haben, reicht nicht für eine Ehrung.«

Die Brüder Boche

Das dies nicht stimmt, lässt sich aber in einem Heftchen über »Nazis und Entnazifizierung in Teupitz« nachlesen. Lothar Tyb'l verfasste die 50 Seiten umfassende Broschüre bereits im Jahr 2005, sah aber damals keine Chance, sie in größerer Stückzahl zu veröffentlichen. Lediglich zwei Dutzend Exemplare hat er verteilt. Doch dann ergab sich eine Möglichkeit. Angesichts des 80. Jahrestags der Machtübernahme der Faschisten interessierte sich das Königs Wusterhausener Bündnis gegen Rechts für Tyb'ls Forschungsergebnisse. Mit Hilfe des Bürgervereins für Bildung, Kultur und Tourismus im Schenkenländchen konnte die Schrift Anfang des Jahres in einer Auflage von 500 Exemplaren gedruckt werden.

Tyb'l hat gründlich recherchiert und beschrieben, wer sich in Teupitz in faschistischen Organisationen engagierte und wer als bloßer Mitläufer einzustufen ist. Der Autor hatte dabei auch im Sinn, etwas gegen Neonazis zu unternehmen. Widersacher der Nazis wie Landwirt Paul Koch kommen in der Broschüre vor. Die Kommunisten hatten im Teupitz der Weimarer Republik keinen leichten Stand. Mit Paul Boche stellten sie nur kurze Zeit einen Stadtverordneten. Ausgerechnet dessen Bruder Hermann Boche gehörte zu den Gründern der NSDAP-Ortsgruppe und hat sie während des Zweiten Weltkriegs geleitet.

Derart detaillierte Darstellungen sind für eine Kleinstadt selten: Franz Spielmann stellte seinen regionalen Zeitungsverlag früh in den Dienst der Nazis. Der Eigentümer von Schloss Teupitz, Gerhard Drabsch, machte Karriere im berüchtigten Rasse- und Siedlungshauptamt der SS. Er fiel 1945 in der Schlacht im Kessel von Halbe. Witwe Karla, selbst aktiv als kommissarische NS-Frauenschaftsführerin, wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht enteignet. Ein nach der Wende gestellter Antrag auf Rückübertragung scheiterte.

Austritt aus der SED

Bildhauer Arno Breker, der Hitler mit monumentalen Kunstwerken begeisterte, verlor sein Grundstück auf dem Egsdorfer Horst, einer Insel im Teupitzer See. Er hatte es 1939 erworben. Acht oder zehn vorrückende Rotarmisten sind dann kurz vor der Befreiung von SS-Leuten gefangen genommen und im Garten des Lokals »Schenk von Landsberg« erschossen wurden. Sozialdemokrat Koch und andere beherzte Bürger bestatteten die Leichen. Kurzzeitig gerieten sie deshalb in Verdacht, die Mörder gewesen zu sein.

SPD-Mann Otto Hofmann starb 1945. Arthur Beyer hat sich vor seinem Tod im Jahr 1947 noch als Aktivist der ersten Stunde betätigt. Dem Sozialdemokraten Paul Koch war es vergönnt, bis 1980 zu leben. Er arbeitete zeitweilig als Stadtrat unter dem neuen Bürgermeister Hans Sußmann (KPD) und machte die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien mit. Später ist er aber, enttäuscht von diktatorischen Verhältnissen, aus der SED wieder ausgetreten.

Ein faszinierender Typ

In die LPG wollte der Bauer Paul Koch nur ungern hinein. Er ist dann aber LPG-Vorsitzender geworden. Von diesem Lebensweg, von Paul Koch als Typ ist Lothar Tyb'l »fasziniert«. Eine öffentliche Würdigung wäre angebracht gewesen, findet er und bedauert, dass es dazu nun wieder nicht gekommen ist.

Lothar Tyb'l: »Nazis und Entnazifizierung in Teupitz - die Schatten des Adolf-Hitler-Platzes«, herausgegeben vom Bürgerverein BIKuT, 50 Seiten (brosch.)

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