Strengere Regeln für Kabotage?

Europas Transportsektor zwischen Dumpingpreis und Konkurs

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
Finnland will mit strengen Regeln heimische Transportunternehmen vor Dumpingkonkurrenz schützen.

Kabotage, also die Übernahme von Transportdienstleistungen innerhalb eines Landes durch ausländische Verkehrsunternehmen, ist ein in der EU heiß diskutiertes Thema. Ursprünglich wurde diese Möglichkeit eingeführt, um Rückware laden zu können und so Leerfahrten zu vermeiden. Doch was bei der Liberalisierung übersehen wurde, sind die Möglichkeiten, die an sich strikten Regeln zu umgehen.

Erlaubt sind drei Fahrten innerhalb von sieben Tagen, danach folgt eine Karenzzeit. Vielerorts genügt aber bereits eine kurze Tour ins Nachbarland, um erneut drei Fahrten durchführen zu können. Bei den kurzen Entfernungen etwa in den Beneluxländern, Dänemark, den mitteleuropäischen Ländern oder den Grenzregionen der großen EU-Länder gibt es reichlich Gelegenheit. Durchgeführt werden die Transporte in der Regel durch osteuropäische Fahrer, die zum Tarif ihrer Heimatländer bezahlt werden. Die Fahrer werden ausgebeutet und gleichzeitig bluten die Fuhrunternehmen der »alten« EU-Länder aus. Bei der Auftragsvergabe zu Frachttransporten spielt nämlich der Preis die wichtigste Rolle. Spediteure mit Tarif- und Steuerniveau der alten EU-Länder haben hier einen unaufholbaren Rückstand. Oft gibt es nur die Alternative: Konkurs oder Selbstausbeutung. Die Fuhrverbände der meisten Mitgliedsländer kämpfen daher einen harten Lobbykampf bei den Brüsseler EU-Behörden, um die völlige Liberalisierung des Transportmarktes ab 2014 zu verhindern. Die Verkehrsminister von Frankreich, Italien, Dänemark, Österreich und Belgien haben sich der Widerstandsfront angeschlossen und fordern eine Liberalisierungspause.

Denn schon die Kontrolle der bestehenden Regeln hat sich als außerordentlich schwierig erwiesen. Die unterschiedlichen Interessen der nationalen Fuhrunternehmen und der oft grenzüberschreitend orientierten Speditionen macht es den Behörden nicht leichter, Missbrauch nachzuweisen. Zudem muss der EU-Grundsatz der Freizügigkeit von Arbeitskraft und Waren beachtet werden.

Finnland versucht jetzt mit strengen Gesetzen dagegenzuhalten. Dem Käufer von Transportleistungen wird die Verantwortung auferlegt, nur mit Speditionen und Fuhrunternehmen zusammenzuarbeiten, die über die notwendige Betriebserlaubnis verfügen. Dies ist anhand des orange eingerahmten Nummernschilds der für den kommerziellen Transport im Land zugelassenen Lkw relativ leicht zu kontrollieren. Fahrer anderer Lkw müssen die internationale CMR-Zulassung mit sich führen. Weiterhin müssen ausländische Fahrzeuge, die für den Transport in Finnland genutzt werden sollen, innerhalb von sieben Tagen bei den Behörden angemeldet werden.

Schließlich muss der Auftraggeber des Transports sicherstellen, dass die Steuer- und Personalverhältnisse seiner Lieferanten den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Wie dies in der Praxis durchzusetzen wäre, ist zurzeit aber noch unklar.

Liro Lehtonen, Vorsitzender des Fuhrverbandes SKAL, begrüßte die neuen Bestimmungen. Die strengsten europäischen Anti-Kabotage-Regelungen werden »helfen, den grauen Sektor des Transportwesens in Finnland auszuradieren«. Eine strikte Kontrolle durch die Behörden und die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten durch die Kunden werden jedoch die Voraussetzung sein für die praktische Wirksamkeit.

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