Blüte

Buchhandel & NS-Zeit

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Der Leipziger Buchwissenschaftler Siegfried Lokatis hat die späte und noch immer unvollständige Aufarbeitung der NS-Geschichte durch die Verlage angeprangert. »Die Bücherverbrennung war wie ein ›langer Schatten‹, hinter dem man sich verstecken konnte«, sagte Lokatis anlässlich des 80. Jahrestages der Bücherverbrennung durch die Nazis dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Leipzig. Statt sich mit der eigenen Rolle im »Dritten Reich« kritisch zu befassen, wurde das Nazi-Regime mit einer besonders bücherfeindlichen Zeit assoziiert.

Dabei sei - zumindest den Umsätzen nach - das Gegenteil der Fall gewesen: »Tatsächlich passierte in der NS-Zeit sehr viel auf dem deutschen Buchmarkt, zwischen 1933 und 1943 erfolgte erst der Durchbruch zum modernen Massenbuchmarkt«, erläuterte der Wissenschaftler. Viele Verlage hätten deshalb in der Zeit enorm profitiert und noch heute existierende Strukturen angelegt.

Vor allem über den Wehrmachtsbuchhandel und die Buchgemeinschaften wurden Kunden außerhalb der bürgerlichen Schichten erreicht, sagte Lokatis. Die Umsätze hätten sich 1939/1940 innerhalb kürzester Zeit nahezu vervierfacht. »Es hat jedoch noch etwa drei bis vier Jahrzehnte gedauert, bis man sich überhaupt damit beschäftigt hat, dass das ›Dritte Reich‹ die ökonomische Blüte der Buchhandelsgeschichte war«, sagte der Buchwissenschaftler der Universität Leipzig. »Erst 1998 entdeckte man zum Beispiel, dass die Wurzeln des Bertelsmann-Konzerns und seine Buchgemeinschaft auch auf die Nazizeit zurück gehen.«

»Im Grunde genommen war die Wehrmacht die größte Buchgemeinschaft der Welt mit acht bis neun Millionen Mitgliedern«, sagte Lokatis. epd

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