Frisch, neu?

Wie machen wir's, fragt Goethe im »Faust«, dass alles »frisch und neu und mit Bedeutung auch gefällig sei?« Frisch und neu, das schließt Gefälligkeit wohl aus. Bei Wagners »Tannhäuser« an der Deutschen Oper am Rhein wurde die Geschichte ins Dritte Reich versetzt, die Aufführung schockierte mit Erschießungs- und Gaskammer-Szenen. Die Intendanz: Das sei nicht Skandalisierung als Selbstzweck, sondern »Beleg für eine unfassbare Schuld«. Opfer würden nicht verhöhnt, sondern beklagt.

Das Publikum aber buhte, bebte, zitterte, floh. Die Jüdische Gemeinde protestierte - ohne freilich eine Absetzung zu fordern. Die Intendanz verteidigte das Konzept - zog dennoch Konsequenzen: Die Aufführung findet nur noch konzertant statt. Zu viele Hakenkreuze sind der Oper Tod.

Inszeniert hat Burkhard C. Kosminski, Jahrgang 1961, seit sieben Jahren Schauspielchef des Nationaltheaters Mannheim und künstlerischer Leiter der dortigen renommierten Schillertage. Er studierte Regie und Schauspiel in New York, arbeitete an Berlins Schaubühne, in Frankfurt, am Schauspiel Dresden. Ein eher Unspektakulärer. Änderungen an seiner Wagner-Inszenierung lehnt er ab. »Was ich an Beschimpfungen bekomme, geht sehr unter die Gürtellinie. Andere bedanken sich für den Abend und sind froh, dass ich Wagner so angepackt habe. Ich bin kein Skandalregisseur.«

Die dämlichste Frage an eine Kunstproduktion: Darf sie das? Sie darf alles, was nicht gegen Strafgesetze geht. Soll mutig, darf Zumutung sein. Zu dieser Freiheit der Kunst gehört die Freiheit des Protestes. Der gibt sich gern moralisch, ist aber oft bloß Ausdruck eines jeweiligen Niveaus der ästhetischen Wahrnehmung. Und vielleicht ist Düsseldorfs Publikum einfach nur angreifbarer, reizbarer als Zuschauerschaft woanders. Ist prüder, klammer, wer weiß.

»Pure« Opernregisseure (Felsenstein, Kupfer, Decker) sind längst Rarität. Schauspielregisseure übernahmen, meist wenig freundlich, eher aggressiv, wühlend, sprengend. Wegen der Frische und des Neuen, das im Alten zu entdecken ist. Kosminski scheiterte. Castorf probt in Bayreuth.

Hans-Dieter Schütt