nd-aktuell.de / 13.05.2013 / Kommentare / Seite 4

Die Reichen wehren sich

Dierk 
Hirschel über die Pläne von SPD, Grüne und Linken, große Einkommen und Vermögen stärker zu besteuern

Der Reichenpflege droht das Aus. Die Bundestagswahlen könnten für Spitzenverdiener, Vermögende und Erben zum Zahltag werden. SPD, Grüne und Linke wollen große Einkommen und Vermögen stärker besteuern. Nach aktuellen Umfragen hält die Mehrheit der Deutschen das für richtig. Das sind schlechte Nachrichten für Merkel, Rösler & Co. Folglich wettern jetzt Wirtschaft und konservativ-liberale Medien tagtäglich gegen die Steuerpläne der Opposition.

Höhere Steuern ruinieren das Land, tönt es auf allen Kanälen. Reichensteuern werden als sozial ungerecht und ökonomisch schädlich gebrandmarkt. Sie schröpfen angeblich die Mittelschicht. Zudem würden Reiche bereits brutal abkassiert. Darüber hinaus gefährden ein höherer Spitzensteuersatz und höhere vermögensbezogene Steuern angeblich Hunderttausende Arbeitsplätze. Und last but not least hätte der Staat ohnehin zu viel Geld, das er nur zum Fenster hinausschmeißt.

Diese Kritik besteht keinen Praxistest. Der geplante höhere Spitzensteuersatz greift erst bei einem Bruttoeinkommen über 70 000 Euro im Jahr. Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt hierzulande aber knapp unter 30 000 Euro. Folglich müssten nur fünf Prozent der Lohn- und Einkommenspflichtigen mehr Steuern zahlen. Gleiches gilt für die Einführung einer Vermögenssteuer. Bei einem Freibetrag von einer Million Euro träfe diese Steuer nur ein Prozent der Bevölkerung - Reiche und Superreiche.

Reiche zahlen hierzulande nicht zu viel Steuern. Multimillionäre führen beispielsweise weniger als 30 Prozent ihres Bruttoeinkommens an den Fiskus ab. Zwar zahlen die reichsten zehn Prozent der Steuerpflichtigen mehr als die Hälfte der Lohn- und Einkommenssteuer. Sie verfügen aber auch über 36 Prozent des Einkommenskuchens. Zudem macht die Einkommenssteuer weniger als ein Drittel des gesamten Steueraufkommens aus. Ergiebiger sind die Verbrauchssteuern. Letztere belasten aber überdurchschnittlich Geringverdiener.

Höhere Steuern auf große Einkommen und Vermögen gefährden auch keine Arbeitsplätze. Geringere Nettogewinne drosseln nicht automatisch die Investitionen. Investitionen sind stark abhängig vom erwarteten Absatz und dem technischen Fortschritt. Wenn Investitionen nicht durch eigene Gewinne finanziert werden können, dann nehmen die Unternehmen Kredite auf.

Der Staat schwimmt auch nicht im Steuergeld. Zwar sprudeln die Steuern so stark wie noch nie. Maßgebend ist aber nicht die absolute Höhe der Steuereinnahmen, sondern das Verhältnis von Steueraufkommen zu Sozialprodukt. Diese so genannte Steuerquote ist heute niedriger als in den 70er Jahren. Die Steuergeschenke der Schröder- und Merkel-Regierung führen noch immer zu jährlichen Mindereinnahmen in Höhe von 50 Milliarden Euro. Geld, das für Kitas, Krankenhäuser, Straßen und Brücken fehlt.

Zeigen aber nicht Milliardengräber wie der Berliner Flughafen oder Stuttgart 21, dass der Staat nicht mit Geld umgehen kann? Nein! Auf Verschwendung hat der Staat kein Copyright. Auch in der Privatwirtschaft gibt es milliardenschwere Fehlinvestitionen. Die Finanzmarktkrise ist das beste Beispiel. Wenn öffentliche Güter für alle zugänglich sein sollen, gibt es keine Alternative zu staatlichem Handeln.

Kurzum: Ein handlungsfähiger Staat erfordert mehr Steuergerechtigkeit. Deswegen sind Reichensteuern sozial gerecht und ökonomisch vernünftig. Jetzt geht es darum, den Abwehrkampf der Oberschicht ins Leere laufen zu lassen.