nd-aktuell.de / 15.05.2013 / Politik / Seite 12

Spielraum für mehr Menschlichkeit

Niedersachsen lockert Bestimmungen für Härtefallkommission

Hagen Jung
Letzte Hoffnung für Flüchtlinge, denen die Abschiebung droht, ist die Härtefallkommission des jeweiligen Bundeslandes. In Niedersachsen soll sie künftig weitaus menschlicher entscheiden können als zu schwarz-gelben Zeiten. Gestern hat die rot-grüne Landesregierung, entsprechende Neuregelungen auf den Weg gebracht.

Lang war die Liste der Hindernisse, mit denen Migranten zur Amtszeit von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) der Weg zur Härtefallkommission versperrt wurde. Schon wenn amtliche Stellen meinten, ein Asylsuchender habe bei der »Klärung seiner Identität« oder dem Beschaffen eines Passes »nicht ausreichend mitgewirkt«, war dies ein Grund, den Fall nicht zum Erörtern in der Kommission zuzulassen. Diese Vorschrift wird ersatzlos gestrichen. Auch der Hinweis auf eine »fehlende Sicherung des Lebensunterhaltes« darf fortan nicht mehr ins Feld geführt werden, um jemanden abzuweisen, der sich an das Gremium wenden möchte.

Die Kommission müsse mehr Entscheidungsspielraum bekommen, betonte Innenminister Boris Pistorius (SPD) nach der Sitzung des Kabinetts. Mit der Reform der Verordnungen werde dem humanitären Auftrag des Härtefallverfahrens mehr Gewicht verliehen. Die Änderungen seinen ein wichtiges Anliegen der Landesregierung im Rahmen einer neuen Flüchtlings- und Asylpolitik.

Im Rahmen der veränderten Bestimmungen werden auch begangene Straftaten von Flüchtlingen nach neuen Kriterien betrachtet. Bislang war das Strafmaß entscheidend. Ab 90 Tagessätzen Geldstrafe oder drei Monaten Haft war für den Verurteilten eine Anerkennung als Härtefall aussichtslos. Künftig werden Bagatelldelikte, ein einfacher Ladendiebstahl etwa, nicht mehr zum Ausschluss führen. »Lediglich Verurteilungen wegen besonders schwerer Straftaten mit hohem Unrechtsgehalt schließen ein humanitäres Aufenthaltsrecht im Härtefallverfahren aus«, besagen die neuen Vorschriften. Abgelehnt werden konnte in der Schünemann-Ära ein Härtefallgesuch auch dann, wenn als Gründe dafür »nur« die Verhältnisse im Herkunftsland des Flüchtlings aufgeführt wurden. Dieser Passus fällt weg.

Nach wie vor kann ein Härtefallantrag nicht angenommen werden, wenn bereits ein Abschiebungstermin festgesetzt ist. Aber, so erläuterte Regierungssprecherin Anke Pörksen im Gespräch mit »nd«: Die Betroffenen werden so rechtzeitig über solch einen Termin informiert, dass sie noch eine Eingabe an die Kommission richten können. Bislang hatten sie dafür eine Frist von zwei Wochen, künftig sind es mindestens vier Wochen, um den Flüchtlingen das sorgfältige Vorbereiten ihres Gesuchs zu ermöglichen.

Auch die Zusammensetzung der Kommission ändert sich. Die Zahl der Stimmberechtigten Mitglieder erhöht sich von acht auf neun. Unter ihnen, ebenfalls ein Novum, ein Vertreter oder eine Vertreterin des Flüchtlingsrates sowie eine Ärztin oder ein Arzt mit besonderer Erfahrung im Umgang mit traumatisierten Menschen.

Boris Pistorius geht davon aus, dass die Härtefallkommission im Sommer ihre Arbeit unter den neuen Bedingungen aufnehmen kann. Bis dahin hat das Gremium seine Beratungen ausgesetzt. So ist gewährleistet, dass es für Betroffene keine nachteiligen Entscheidungen aufgrund der alten Rechtslage gibt.