Ein Poet in der Zeitung

Franz Faber ist tot

  • Detlef D. Pries
  • Lesedauer: 2 Min.

So alt ist dieses »neue deutschland« schon, dass es in der heutigen Redaktion niemanden mehr gibt, der sich noch gemeinsamer Arbeit mit Franz Faber erinnern könnte. Wer ihn einmal erlebt hat, der weiß indes, wie humorvoll Faber, Jahrgang 1916, seine Anfänge als Journalist beschrieb: Die Arbeit als Lokalreporter der »Märkischen Volksstimme« überließ ihm Erwin Strittmatter, der sich lieber der schöneren Literatur widmete.

Franz Faber, inzwischen ND-Mitarbeiter, gehörte 1954 zu einer ersten Delegation von DDR-Journalisten, die nach der Niederlage der französischen Kolonialarmee bei Dien Bien Phu drei Monate lang Vietnam bereisten. In bewegenden Reportagen brachte er den Lesern die Dramatik des vietnamesischen Befreiungskampfes und die Zuversicht derer nahe, die sich endlich im Frieden wähnten. Als Faber zehn Jahre später, 1964, als ständiger Korrespondent nach Hanoi zurückkehrte, musste er jedoch erneut vom Krieg berichten, von US-amerikanischen Bombenangriffen auf Städte, Dörfer, Brücken und Straßen. Franz Faber gehörte zu denen, die hierzulande Sympathie und Solidarität für die leidgeprüfte Bevölkerung des fernen Landes weckten.

Zuvor hatte er gemeinsam mit seiner Frau Irene in siebenjähriger Arbeit das vietnamesische Nationalepos »Truyen Kieu« ins Deutsche übertragen. Die Anregung war von Ho Chi Minh ausgegangen, den Faber persönlich kennengelernt hatte. 1965 erschien das Werk des Dichters Nguyen Du (1765 - 1820) - fast 3300 Verse über die unerfüllte Liebe eines jungen Paares in der Feudalgesellschaft - unter dem deutschen Titel »Das Mädchen Kieu«. Vietnamesische Germanisten bescheinigten der Übersetzung höchsten poetischen Wert. Die Universität Hanoi verlieh Faber vor wenigen Jahren die Ehrendoktorwürde. In Deutschland blieb ihm solche Anerkennung versagt. Eine zweite deutsche Auflage des Epos im Jahre 1980 blieb leider bis heute die letzte.

Nach seiner Rückkehr aus Vietnam leitete Faber die »Schule der Solidarität« des Journalistenverbandes der DDR, die sich der Ausbildung von Berufskollegen in der Dritten Welt widmete.

2010 wurde in Vietnam ein »Deutschland-Jahr« und in Deutschland ein »Vietnam-Jahr« begangen. Anlass war der 35. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sozialistischen Republik Vietnam im Jahre 1975, das Auswärtige Amt würdigte die »besondere Qualität« der bilateralen Beziehungen. Dass diese Qualität Grundlagen hat, die in der DDR lange vor 1975 gelegt wurden, und dass Menschen wie Franz Faber zu den Wegbereitern gehörten, blieb meist unerwähnt.

»In hundert Jahren, die vielleicht ein Leben währt, ...« lauten die ersten Verse des »Mädchens Kieu«. Franz Faber wurde 96 Jahre alt. Am 14. Mai ist er in Berlin verstorben.

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