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Albtraum in Pink und Plaste

Cupcakes, Catwalk, Konsum: Ein Besuch im »Barbie Dreamhouse«

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 6 Min.
In Berlin-Mitte eröffnete, begleitet von Protest, das sogenannte Barbie Dreamhouse. Auf 2500 Quadratmetern erstreckt sich die »Erlebniswelt« des Spielzeugherstellers Mattel.

Unter den Schuhen knirscht Kies, die Sonne brennt vom Himmel. Noch ist die Welt farbenfroh, die Luft schmeckt noch frisch nach Großstadtsommer. Dann: Zuckerschock. Wer den Eingangsbereich der künstlichen Villa betritt, dessen Körper schüttet schlagartig Glückshormone aus, man wird ein bisschen unruhig. Ausgelöst wird diese Reaktion nicht von Essbarem, sondern von einem Farbrausch: Ringsrum ist pink. Die drei Kassenboxen, die aussehen wie hohe Kartons, die Wände: alles pink. Nicht rosa, rosé oder zartlila. Alles ist pink - und stinkt nach neuer Luftmatratze.

Wie ein eckiges, in dicke Plane eingewickeltes, rosaweißes Sahnebonbon liegt das »Barbie Dreamhouse« nur einen Steinwurf weit entfernt vom Alexanderplatz in Berlins Mitte. Das Paradies für kleine Prinzessinnen und alle, die es werden wollen. Ein nahezu identisches Schwesterhaus eröffnete am 8. Mai in Florida, USA. Die Eröffnung am Donnerstag in Berlin wurde von Protest begleitet. »Auf Wiedersehen Gleichberechtigung, Hallo Barbie« und andere deutliche Kommentare waren zu lesen. Bezeichnenderweise bekam dabei der barbusige Auftritt einiger weniger Anhängerinnen der »Femen« die größte mediale Aufmerksamkeit. Die rund 300 TeilnehmerInnen einer Demonstration gegen das Traumhaus interessierten am Abend kaum.

Angelegt ist das Haus wie eine Wohnung. Dem Spielzeugmodell nachempfunden, wartet es zudem mit Schlittenzimmer und Strand auf. Leider steigt einem im ersten Raum, der Küche, kein Backwarengeruch in die Nase. Hier wird nur virtuell gebacken. Drei Stationen auf unterschiedlicher Höhe (so dass auch die, die grade mal stehen können, sie bedienen können) fordern dazu auf, Cupcake-Zutaten auf Wischbildschirmen zusammen zu schieben. Dann zwölf Mal auf die Muffinform tippen, damit der Teig eingefüllt wird. In den verschlossenen Schränken buntes Plastebesteck. 1950er Jahre Küchenuntensilien in Vitrinen. So weit, so anspruchslos. Dass die Cupcakes virtuell bleiben, ist wohl ganz gut: Gäbe es die Kreationen, die das Programm erlaubt, die Kleinen würden die Kokos-Vanille-Erdbeer-Küchlein im nächsten Raum prompt wieder von sich geben.

Wo die »Küche« noch mit dem handelsüblichen rosa/weiß-Farbeschema die Augen quält, ist der nächste Raum ausgeleuchtet wie eine Club-Toilette: alles blau. Die wummernden Bässe fehlen, stattdessen steht in der Mitte ein Schlitten. Wer hinein steigt, guckt auf einen Bildschirm: Da rodeln die blonde Puppe und ihre Freunde Hänge hinab und fliegen in Zeitlupe durch die Luft. Die junge Frau vom Dreamhouse-Personal drückt auf einen Knopf, ruckelt an paar Hebeln und der Schlitten hebt und senkt sich, halbwegs synchron zu den Bildern auf dem Bildschirm. Jedes Mal, wenn der Schlitten sich nach vorn neigt, knackt es laut. Links, rechts, ruckel, knack.

1,5 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet Mattel jährlich mit der Barbiepuppe. Kinder zahlen 12, Erwachsene 15 Euro Eintritt im dreamhouse - gesalzene Preise, die durchaus Erwartungen wecken. Doch auf diesem Niveau bleibt der Rest der Einrichtung. Ein Puzzlespiel mit vier, sechs oder gar neun Teilen. Auf dem Boden nach virtuellen Seifenblasen haschen. Jedes staatliche Museum hat bessere interaktive Angebote.

So wird kein Hehl daraus gemacht, dass mit diesem Haus die Barbie-immanenten Vorstellungen von dem, was wichtig ist im Leben, bereits an die Allerkleinsten vermittelt werden soll: die Nagellackflaschen nach Farben sortieren, einen begehbaren Kleiderschrank anschaffen und Pink zur Lieblingsfarbe erklären.

»Barbie steht für ein Frauenbild, das sich ausschließlich über gutes Aussehen, Schlankheitswahn und Mode definiert«, sagt Miriam Strunge, Bundessprecherin der Linksjugend Solid. »Mädchen kriegen damit schon im Kindesalter eingetrichtert, dass nur ihr Aussehen zählt, sie Schönheitsobjekte werden müssen.«

Mädchen, die mit Barbiepuppen spielen, sind eher unzufrieden mit ihrem Körper als ihre barbiefreien Altersgenossinnen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der University of Sussex. Die Studie wurde im Jahr 2006 veröffentlicht und untermauert die Kritik der Barbiegegner. Die Puppe verkörpert zum Einen mit dünner Taille und großer Oberweite ein unnatürliches Schönheitsideal. Ein Ideal, das ebenso per Photoshop retuschierten Models auf Werbeplakaten transportiert wird. Zudem stehen in der Welt der Puppe äußerliche Werte im Vordergrund, innere gibt es nicht. Dazu kommt die pudrige Überhöhung häuslicher Qualifikationen, Rollenbilder aus den 1950er Jahren eben.

Der Spielzeughersteller weist diesbezügliche Kritik stets damit ab, Barbie bringe den Mädchen bei, dass sie werden könnten, was immer sie wollen. - Bleibt die Frage, mit welchen Mitteln.

Im Dreamhouse scheint die Lage klar: Wer es vorbei am aus dem Klo hervorguckenden und schnatternden Delfin geschafft hat, landet im eigentlichen Erlebniszentrum Hauses. Hier wird rechter Hand gemalt und mit Glitzersteinchen geklebt, was das Zeug hält. Linker Hand warten drei blonde Köpfe darauf, von kundigen Kinderhänden frisiert zu werden. Auf der Popstarbühne allerdings tanzen zwei jungen Frauen, deren schwarze Kleidung sie eindeutig als Personal kenntlich macht. Das männliche Personal steht herum und guckt zu. Die Schminktische sind noch fast leer, Popstar oder Model sein will an diesem Vormittag noch keine. Da war im begehbaren Schuhschrank mehr los. Dessen dunkelblaue Beleuchtung war zudem Entspannung für die gestressten Sehnerven. Per Hebel lässt sich die Beleuchtung umschalten: Die einzelnen Regalfächer blinken in verschiedenen Farbtönen. Kindgerechte Disko.

»Barbie muss wieder ausziehen! In ihrem Dreamhouse wird vermittelt, dass Mädchen und Frauen sich in erster Linie mit Schönheit und Hausarbeit beschäftigen«, so Kati Bachnik, Sprecherin, und Charlotte Obermeier, frauen- und genderpolitische Sprecherin der Grünen Jugend Berlin in einer gemeinsamen Erklärung. »Solche Rollenklischees werden schon früh gelernt und wirken sich lange aus: Sie reproduzieren geschlechtliche Arbeitsteilung in weibliche Hausarbeit und männliche Lohnarbeit.«

»Ich will niemandem verbieten, seiner Tochter oder seinem Sohn eine Barbie zu kaufen. Sie alle sind kluge und verantwortungsvolle Eltern«, sagte Antje Schiwatschev, Beauftragte für Gleichstellungspolitik im Landesvorstand der LINKEN, auf der Kundgebung gegen das Dreamhouse. Ihr Wunsch sei, »dass es Normalität wird, dass Kinder fern von Rollenklischees spielen und sich frei von Geschlechterrollen und Schönheitsidealen entwickeln können, um ihnen somit die größtmögliche individuelle Entfaltung zu ermöglichen«.

Doch solange Väter vierstellige Preisgelder für etwas bekommen, was für Millionen Mütter selbstverständlich ist, solange Frauen weniger verdienen als Männer, schlechtere Karrierechance haben und im Alter häufiger unter Altersarmut leiden, solange ist ein Barbie Dreamhouse fehl am Platz.

Denn Barbie ist eben nicht nur eine Spielzeugpuppe. Sie ist die Haarbürste schwingende Anführerin einer rosa Garde, die antiquierte Rollenbilder mit Zuckerguss überzieht und sie unter dem Deckmantel des »Ich will doch nur spielen« am Leben erhält, verbreitet, in die Kinderzimmer mogelt und damit in junge Köpfe pflanzt. In ihrem Gefolge flattern kleine Feen mit pinkfarbenen Überraschungsei-Editionen, rosa Kleidung von null bis unendlich, rosafarbenen Legoabteilungen und Hello-Kitty-Erwachsenenaccessoires für das Mädchen in der Frau. Dieses Haus nun ist der Albtraum einer jeden Frau, die sich darüber im Klaren ist, dass sekundäre Geschlechtsmerkmale nicht mit Intellekt gleich zu setzen sind. Die Sport treiben, nicht um einem krankhaften Schönheitsideal hinterher zu hecheln sondern um gesund zu bleiben. Im Straßenbild einer Stadt im 21. Jahrhundert ist dieses Haus geradezu eine rosa leuchtende Herausforderung, gegen Sexismus, Rollenklischees und konsumorientierte Manipulation zu protestieren.

Das kleine Mädchen, das vorhin auf den Seifenblasen herum hopste, ist indes eine perfekte kleine Kundin. Von dem beißenden Lackdunst völlig unbeeindruckt, verlässt es strahlend und mit frischem Make-up im Gesicht das Haus.

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