»Max, Du hast det Schieben raus ...«

Nachkriegszeit im Krimi

  • Klaus Haupt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Szene der Schwarzmärkte und Schieber im Berlin des Jahres 1948 ist der Stoff für diesen Kriminalroman. Brandenburger Tor, Potsdamer Platz, Bahnhof Zoo, Schlesischer Bahnhof, Alexanderplatz. Da zieht es alle hin, die etwas zu verkaufen haben. Die großen Gauner mit einem Netz von Schiebern und die kleinen Habenichtse, die aus ihrem Privatbesitz etwas verschachern wollen für ein Stück Butter, eine Tafel Schokolade oder eine Stange Zigaretten.

Die aktuellen »Schwarzmarktpreise als Barometer« betragen im Juni 1948 laut eines aktuellen Presseberichtes, den der Autor zitiert: »Für Kaffee wurden 380 bis 400 RM pro Pfund verlangt und auch bezahlt, deutsche Zigaretten kosteten 2 RM und mehr. 100-g-Tafel Schokolade 150 RM, Butter 300 bis 350 RM. Mehl 40 bis 50 RM je Pfund. Dies bedeutet eine Steigerung der Schwarzmarktpreise um teilweise hundert Prozent.«

Es sind die letzten Tage der Reichsmark. Dann wird über Nacht auch in Westberlin die Westmark als separate Währung eingeführt. Die von den drei westlichen Besatzungsmächten forcierte Teilung Berlins und Deutschlands nimmt ihren Lauf. Kommissar Hermann Kappe, ein altgedienter Kriminalist, der im amerikanischen Sektor seinen Dienstsitz hat, muss mit dieser Tatsache zurecht kommen. Schieber und Mörder kennen keine Grenzen. Um Spannung und Verwicklungen auch mit familiären Verhältnissen zu verknüpfen, hat der Autor Kappes ältesten Sohn Hartmut bei der Ostberliner Kripo in der Dircksenstraße am Alexanderplatz untergebracht und seinen Neffen Otto bei der Kripo im britischen Sektor.

Und nun gibt es zwei Tote. In der Wolfshagener Straße in Pankow findet die Hauswartsfrau im Keller eine Leiche. Bald darauf wird in den Trümmern der Speyerer Straße in Westberlin ein per Kopfschuss Getöteter entdeckt. Die Spuren führen in die Welt der Schieber, in der nun nicht nur Kappes jüngster Sohn Karl-Heinz auftaucht, sondern auch ein gewisser Max Kallweit. Das ist einer von den großen Gaunern mit großer Wohnung am Schöneberger Viktoria-Luise-Platz. Wenn bei ihm gefeiert und der Tanz, den man Schieber nennt, aufs Parkett gelegt wird, dann singen alle: »Max, du hast det Schieben raus, Schieben raus, Schieben raus, allet schreit Hurra: Schieber-Max is da!«

Horst Bosetzky schildert Berliner »Miljöh«. So oft es nur geht, lässt er seine Protagonisten Gassenhauer und Schlager jener Zeit singen. Die Fiktion verbindet er mit Fakten. Die Kappe-Kommissare senior und junior lässt er immer wieder im Westberliner Telegraf oder in der in Ostberlin herausgegebenen »Berliner Zeitung« blättern und Neuigkeiten aus der Stadt und der Welt verbreiten. Fußballplätze und Boxringe gehören zu den bevorzugten Freizeiträumen der Akteure.

Horst Bosetzky ist Berliner. Hier ist er geboren, in Neukölln ist er aufgewachsen. Dort hat er jene Volksschule besucht, die heute als Rütli-Schule bekannt ist. In Berlin kennt er sich aus. Es gibt wohl kaum einen Schriftsteller, der so viele Bücher über diese Stadt geschrieben hat, wie er. »Razzia« ist der 20. Band seines Kettenromans »Es geschah in Berlin«, mit Kommissar Kappe und fiktiven Kriminalfällen des 20. Jahrhunderts.

Horst Bosetzky: Razzia. Kriminalroman. Jaron. 208 S., br., 7,95 €.

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