Lichtverhältnisse

Inselgalerie: Einblick in das Schaffen von acht »vergessenen« Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts

  • Cristina Fischer
  • Lesedauer: 5 Min.

Wer sich mit Künstlerinnen beschäftigt, wer sich dafür interessiert, was Frauen zur Malerei, zu Grafik, Plastik, Fotografie und anderen Kunstgattungen beigetragen haben, wird früher oder später feststellen, dass einigen wenigen prominenten eine überschaubare Anzahl von bekannten und eine Unzahl von »unbekannten« Künstlerinnen gegenüberstehen. Das trifft auf die früheren Jahrhunderte zu, als Frauen in diesem Beruf nur wenige Aussichten und Möglichkeiten hatten, das trifft noch auf das 19. Jahrhundert zu, erstreckt sich aber auch auf das vergangene, das auf vielen Gebieten den großen Durchbruch brachte. Man kommt deshalb nicht darum herum, sich in diesem Kontext mit grundsätzlichen sozialen Fragen und mit der Frage nach der Stellung der Frau in den jeweiligen Gesellschaftsordnungen zu befassen.

Gesellschaftliche Umbrüche, Kriege, faschistische und Militärdiktaturen haben unersetzliche Verluste an Menschen und Kultur zur Folge. Allerdings betrafen und betreffen solche Verluste zunächst einmal beide Geschlechter. Die Frage ist, was aus den Trümmern solcher Katastrophen geborgen, was bewahrt, als erhaltenswert erachtet wird. Wenn Kulturleistungen von Frauen anscheinend besonders leicht dem Vergessen anheimfallen, muss das spezifische Gründe haben. Vielleicht gehört zu diesen Gründen, dass es zumeist Männer waren und noch sind, die die Deutungshoheit über den Wert oder Unwert von Kunstwerken ausüben, die zum Beispiel darüber entscheiden, was von Museen angekauft wird. In allen Kunstmuseen und fast allen Galerien sind Frauen unterrepräsentiert.

Auf die vor 20 Jahren gegründete Inselgalerie trifft das nicht zu. Sie fühlt sich dem kreativen Schaffen von Frauen exklusiv verpflichtet und versucht, »vergessene Künstlerinnen wieder ins Licht der Öffentlichkeit« zu rücken, wie es in einer Stellungnahme heißt.

In ihrer aktuellen Ausstellung erinnert sie an acht solche Malerinnen. Sie alle sind Ende des 19. Jahrhunderts geboren worden, stammten zumeist aus bürgerlichen, teils wohlhabenden, oft jüdischen Familien, hatten den Aufbruch in eine ungewisse und schwierige Existenz schon vor Beginn des Ersten Weltkriegs gewagt. Sie alle hatten sich in ihrem Beruf durchgesetzt, sich Anerkennung erkämpft, bis das nationalsozialistische Regime sie aus der Öffentlichkeit verbannte, in die Emigration trieb, ihr Schaffen verächtlich und unmöglich machte. Zwei von ihnen, die erstaunliche Julie Wolfthorn, mit der sich seit vielen Jahren ein eigener Arbeitskreis in Berlin befasst, und Käthe Loewenthal, sind als hochbetagte Frauen deportiert worden und in KZ- Lagern elend umgekommen.

Damit ordnet sich die Ausstellung in das Berliner Themenjahr »Zerstörte Vielfalt« ein. Die Auswahl der Künstlerinnen ist in gewisser Weise willkürlich - zu viele haben ein ähnliches Schicksal erlitten.

Die Organisatorinnen Ilse Maria Dorfstecher, Gabriela Ivan und Sabine Krusen haben deshalb einen breiteren Ansatz für ihre vor einem Jahr begonnene Forschungsarbeit. Sie sahen sich aber handfesten Sachzwängen gegenüber, auch in Bezug auf die Verfügbarkeit von Kunstwerken, die mühsam aus Privatbesitz beschafft werden mussten. Trotzdem sollte ein qualitativer Einblick in das Schaffen der acht Frauen ermöglicht werden. Und das ist tatsächlich gelungen - obwohl das Bedauern über die Portionierung nicht ausbleiben kann. Betont wird die Zeitlosigkeit der Werke, so mit eindrucksvollen Porträts wie der »Dame mit Hut« von Augusta von Zitzewitz, der 1918 ein Sonderheft der expressionistischen »Aktion« von Franz Pfemfert gewidmet war. Eher impressionistisch wirkt dagegen ihr um 1911 entstandenes Bildnis der nicht mehr ganz jungen Frau mit ihrem ungeschminkten hellen Gesicht, dessen Zartheit von dem ausladenden dunklen Hut noch betont wird.

Großformatig, ja wandfüllend das in grauen und rötlichen Tönen gehaltene Selbstbildnis von Kate Diehn-Bitt von 1933. Die Künstlerin steht da, noch ganz die selbstbewusste und schicke Frau der zwanziger Jahre, die schmalen leeren Hände wie abwehrend vor dem Unterleib gekreuzt, flankiert von einer missmutig dreinblickenden Katze und einer verdorrten Topfpflanze. Eine Allegorie der Unfruchtbarkeit, der bereits erahnten Ausgrenzung?

Ihre ausgestellten farbigen Arbeiten aus den 60er Jahren, in der DDR entstanden wie der alptraumhafte »Aasgeier« (1964), zeigen, dass diese Malerin im Unterschied zu vielen ihrer Leidensgenossinnen trotz aller Schikanen kaum etwas von ihrer Kraft und Originalität eingebüßt hat.

Neben einfühlsamen Kinderbildnissen (Hedwig Woermann, Oda Hardt-Rösler) sind »frauentypische« Blumenstilleben und expressive Landschaften, etwa von und Käthe Löwenthal, anmutige Titelbildentwürfe für die Jugendstil-Zeitschrift »Jugend« (Wolfthorn), ausdrucksstarke Plakate (Zitzewitz) und »frivole« Illustrationen von Lene Schneider-Kainer zu den »Hetärengesprächen« von Lukian zu sehen. Ein erstaunliches stilistisches Spektrum!

Besonders berührt in dieser Zusammenschau das einzige Werk, das sich mit der für die Frauen so verhängnisvollen Gegenwart befasst - ein an Modersohn-Becker erinnerndes Porträt einer jungen Mutter mit ihrem Kleinkind. Die schwarzhaarige Frau trägt einen gelben Stern an ihrer Bluse und schaut aus traurigen Augen angstvoll in eine ungewisse Zukunft. Das auf 1944 datierte Bild wurde von der Jüdin Käthe Münzer-Neumann geschaffen, die 1933 nach Paris emigrierte, dort die deutsche Besatzung im Untergrund überlebte und nach dem Krieg in Frankreich blieb, wo sie sich einen Namen machte.

Dass es auch Künstlerinnen gab, die sich mit ihrer Zeit politisch aktiv und widerständig auseinandersetzten, wird in der Exposition ansonsten nicht deutlich. Aber an eine von ihnen, Lea Grundig, hat die Inselgalerie Ende vergangenen Jahres erinnert.

Wieder im Licht - geehrt ausgegrenzt wiederentdeckt. Bis 25.5., Inselgalerie, Torstr. 207, Di-Fr 13.30-18.30, Sa 13-17 Uhr.

23.5., 19 Uhr: »… Grande Dame der Malerei - Augusta von Zitzewitz« - Filmdokumentation von Anette von Zitzewitz (2001).

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