nd-aktuell.de / 22.05.2013 / Brandenburg / Seite 12

Brandenburger Entschuldigungen

Selbstjustizfall beschäftigt Kremmen weiter

Andreas Fritsche
Nach einem Fall von Selbstjustiz gegen polnische Erntehelfer in Brandenburg gibt es Kritik an den Reaktionen der Behörden. Die Kampagne Fight Racism Now organisierte eine Kundgebung.

Ein aufsehenerregender Fall von Selbstjustiz an drei polnischen Erntehelfern im brandenburgischen Kremmen ist noch nicht abgeschlossen. Die Kampagne Fight Racism Now (Rassismus bekämpfen jetzt) organisierte auf dem Marktplatz der Stadt eine Kundgebung, die am frühen Dienstagabend stattfinden sollte. »Die Offiziellen aus Kremmen und Brandenburg sorgen sich um ihren guten Ruf und sie wollen weiter Erntearbeiter zu Dumpinglöhnen anheuern«, erklärte Sprecher Felix Jourdan. »Aber selbst in ihren Entschuldigungen wiederholen sie die rassistischen Vorurteile der Täter: dass bei Polen der Verdacht auf Straftaten ja naheliege«, beschwerte er sich.

Die Kampagne verwies darauf, dass sich alle entschuldigt hätten, vom Bürgermeister Klaus-Jürgen Sasse (SPD) bis Innenminister Dietmar Woidke ( SPD). Allerdings nicht ohne um Verständnis für den rassistischen Übergriff zu werben, heißt es. Und weiter: »Die Zahl der Einbruchsdelikte sei sprunghaft angestiegen, und schuld seien offenbar Polen.«

Am 13. Mai hatte eine Mieterin in Kremmen morgens Einbrecher in ihrer Wohnung überrascht. Die Täter ergriffen die Flucht. Vier Männer verdächtigten die drei polnischen Spargelstecher. Am Abend schnappten sie die Polen, fesselten und verprügelten sie. Bei diesem unzulässigen Akt von Selbstjustiz erwischten sie auch noch die Falschen, wie sich herausstellte, als sie zwei der Spargelstecher zu der Mieterin schleppten. Diese erkannte bei der Gegenüberstellung, dass es sich gar nicht um die Einbrecher handelte. Bürgermeister Sasse verurteilte den Übergriff. Er nannte den Vorfall dabei »untypisch« und »außerhalb jeglicher Vorstellungskraft«. Für die Behauptung, er habe Verständnis für die Täter geäußert, findet sich kein Beleg. Im Rathaus jedenfalls hat man nicht gehört, dass der Bürgermeister etwas derartiges gesagt hätte. Sasse selbst war gestern nicht zu erreichen.

Der Innenminister hatte versprochen, die Polizei werde Selbstjustiz »konsequent entgegentreten« und die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung »mit Hochdruck vorantreiben«. In dieser Erklärung ist von Verständnis für die Täter aber keine Rede.

Die Zahl der Wohnungseinbrüche hat tatsächlich zugenommen, wie Polizeisprecherin Dörte Röhrs erläuterte. Aber nicht erst seit Beginn der Spargelernte und nicht nur in Kremmen und Umgebung, sondern im gesamten Berliner Umland.