nd-aktuell.de / 22.05.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 16

Kürzungen beim Arbeitslosengeld verschoben

Druck von unten zwingt dänische Regierung zu befristeten Änderungen / Neue Sozialleistung soll eingeführt werden

Andreas Knudsen, Kopenhagen
Unter dem Druck der Gewerkschaften und der eigenen Wählerschaft möchte die dänische Mitte-Links-Regierung nun Arbeitsmarktreformen der Vorgänger zumindest verschieben. Es war kurz vor der Parlamentswahl 2011: Die damalige bürgerliche Regierung Dänemarks beschloss eine spürbare Verkürzung der Dauer beim Bezug von Arbeitslosengeld.

Es war kurz vor der Parlamentswahl 2011: Die damalige bürgerliche Regierung Dänemarks beschloss eine spürbare Verkürzung der Dauer beim Bezug von Arbeitslosengeld. Statt bislang vier soll diese Periode künftig nur noch zwei Jahre betragen. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass mindestens ein Jahr sozialversicherungspflichtige Arbeit erforderlich ist, um bei Bedarf erneut Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, und gleichzeitig die Versorgungspflicht erweitert, so dass neben Ehegatten auch Paare ohne Trauschein erfasst sind.

Die damals oppositionellen Sozialdemokraten und Sozialisten versprachen, im Falle eines Wahlerfolgs diese Bestimmungen wieder aufzuheben. Da jedoch eine liberale Partei, die das Gesetz mitgetragen hatte, Koalitionspartner wurde, waren den regierenden Linksparteien die Hände gebunden. Man konnte lediglich durchsetzen, dass in einer Übergangszeit bis Juli 2013 noch vier Jahre Arbeitslosengeld möglich sind, wenn der Arbeitslose an sogenannten Aktivierungsmaßnahmen teilnimmt. Das erzwungene Festhalten an bürgerlicher Wirtschafts- und Sozialpolitik ist beiden Parteien dennoch teuer zu stehen gekommen - in Meinungsumfragen verzeichnen sie hohe Verluste.

Um der wachsenden Kritik zu begegnen und einen Kompromiss mit dem Koalitionspartner zu finden, unterbreitete die Minderheitsregierung nun einen Vorschlag, der die Einführung der neuen Regeln auf 2016 hinausschiebt. »Sie kamen zu schnell und zu abrupt«, erklärte Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt. Nach Berechnungen der Arbeitslosenkassen würden bei voller Handhabung in diesem Jahr rund 30 000 Menschen ihre Existenzgrundlage verlieren.

Daher wird nun eine neue Sozialleistung in Höhe von 80 Prozent der Sozialhilfe eingeführt, die maximal zwei Jahre ausgezahlt wird. Sie sollte eigentlich über höhere Beiträge für die Arbeitslosenkassen finanziert werden. Dieses Modell wurde jedoch durch die oppositionelle Rot-Grüne Einheitsliste abgelehnt, auf deren Stimmen die Regierung angewiesen ist. Über Pfingsten wurde nachverhandelt. Nun soll die Finanzierung durch Einsparungen bei anderen Staatsausgaben gelingen.

Gleichzeitig wird eine Maßnahme verlängert, die im vergangenen Herbst beschlossen worden war und eigentlich zum 1. Juli auslaufen sollte. Dabei handelt es sich um eine staatlicherseits gezahlte Prämie, um die Einstellung von Langzeitarbeitslose attraktiver zu machen. Unternehmen müssen aber im Gegenzug Qualifizierungsmaßnahmen durchführen.

Die Aktivitäten der Regierung sind dem Druck von Gewerkschaften, der Einheitsliste sowie dem steigenden Unwillen in der Bevölkerung zuzuschreiben. Die scharfen Reaktionen von Demonstranten während der 1. Mai-Feiern, die die linken Parteispitzen erleben mussten, hinterließen offensichtlich einen bleibenden Eindruck und zwangen zum Handeln. Vor allem das dänische System der Aktivierungsmaßnahmen und der Weiterbildung von Arbeitslosen war in den vergangenen Monaten zunehmend in die Kritik geraten. Dafür werden jährlich etwa zwei Milliarden Euro ausgegeben, doch der Effekt ist begrenzt.

Deshalb wird nun eine Kommission eingesetzt, die bis 2015 mit Vorschlägen kommen soll, wie dieses System grundlegend modernisiert werden kann. Dann stehen auch die nächsten planmäßigen Parlamentswahlen an, bei denen das Thema der Arbeitsmarktreformen eine wichtige Rolle spielen dürfte, um eine Machtübernahme durch eine bürgerliche Regierung zu verhindern. Eine nachhaltige Finanzierung der Arbeitslosenhilfe setzt jedoch auch eine Konjunkturwende voraus, die die Steuereinnahmen steigen und die Ausgaben für die Langzeitarbeitslosigkeit fallen lässt.