nd-aktuell.de / 23.05.2013 / Politik

Menschenrechte auf dem Prüfstand

Der Amnesty-Report 2013 dokumentiert in 112 Ländern Folter und Misshandlungen

Olaf Standke
Amnesty International (AI) hat in seinem jetzt vorgelegten Jahresbericht 2013 die Menschenrechtslage in 159 Ländern beleuchtet.

Gleich fünf Jemeniten sind am Dienstag in Saudi-Arabien hingerichtet worden. Sie wurden geköpft, ihre Leichen anschließend im Zentrum der Stadt Dschisan zur Schau gestellt. Damit wurden in der autokratischen Öl-Monarchie, einer der weltweit größten Waffenimporteure, seit Jahresbeginn 43 Menschen exekutiert. 76 waren es 2012. Insgesamt ließen 21 Regierungen Menschen hinrichten. Doch sieht Amnesty International in seinem Report 2013, der die Menschenrechtslage weltweit untersucht, auch Fortschritte im Kampf um die Abschaffung der Todesstrafe. Singapur und Malaysia hätten wichtige Schritte in diese Richtung unternommen, in den USA mit Connecticut und Maryland weitere Bundesstaaten die staatlich sanktionierte Tötung aus den Gesetzbüchern gestrichen. Und mit dem ersten Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den einstigen kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga sei im Vorjahr ein wichtiger Schritt zur Durchsetzung internationalen Rechts getan worden.

Auch der jüngste Jahresbericht der Organisation ist so zugleich eine Dokumentation des Versagens von Staaten, die ihren eigenen Bürgern skrupellos Rechte nehmen, wie des weltweiten Bemühens, politische und soziale Menschenrechte durchzusetzen. Deshalb beobachtet Amnesty mit großer Sorge, dass Staaten wie Äthiopien, Ägypten, Bangladesch oder Russland, die sich formal zur Meinungsfreiheit bekennen, Aktivisten und Nichtregierungsorganisationen mit Gesetzen und bürokratischen Schikanen das Leben schwer machen. »Viele Regierungen versuchen, ihren Bürgern die in den vergangenen Jahren gewonnenen Freiheiten wieder zu nehmen«, beklagt Selmin Çaliskan, Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion.

Die Organisation dokumentierte im Vorjahr in 101 Staaten Einschränkungen der Meinungsfreiheit, in 112 Folter und Misshandlung, in 36 rechtswidrige Zwangsräumungen, von denen besonders häufig Slumbewohner betroffen sind – auch in EU-Staaten wie Rumänien, Bulgarien, Italien und Frankreich. In 80 Staaten wurde das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren systematisch verletzt. Weltweit gibt es inzwischen zwölf Millionen Staatenlose, etwa 80 Prozent sind Frauen. Und während die Globalisierung für einige zu Wirtschaftswachstum und Wohlstand geführt habe, müssten nicht nur indigene Bevölkerungsgruppen zusehen, wie Regierungen und Unternehmen aus ihrem Land Profit schlagen – während sie selbst hungern, wie der internationale AI-Generalsekretär Salil Shetty kritisiert.
Immer mehr Menschen müssen zudem vor bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen mit oft schweren Kriegsverbrechen fliehen. 2012 waren weltweit 43 Millionen betroffen, 27 Millionen davon sind Binnenflüchtlinge. Diese Zahlen sind so hoch wie zuletzt Mitte der 90er Jahre. Allein 1,4 Millionen Syrier mussten bislang ihre Heimat verlassen.

Vor diesem Hintergrund fordert Amnesty von den EU-Staaten eine großzügige Unterstützung der Nachbarländer Syriens, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Überhaupt müsse die Europäische Union ihre Flüchtlings- und Asylpolitik, die auch 2012 wieder für zahlreiche Todesopfer im Mittelmeer verantwortlich war, ändern, betont Çaliskan. »Asylpolitik darf nicht darauf ausgerichtet sein, Asylsuchende abzuschrecken«, heißt es in einer Erklärung der Jahreshauptversammlung der deutschen AI-Sektion vom Wochenende.

Um bewaffnete Konflikte besser eindämmen zu können, fordert Amnesty die Kontrolle des internationalen Waffenhandels. Der im April von der UNO endlich verabschiedete Vertrag dazu sei ein großer Schritt in diese Richtung. Auch Deutschland müsse seine Bestimmungen schnell umsetzen und endlich eine Menschenrechtsprüfung bei der Entscheidung über Rüstungsexporte gesetzlich festschreiben. Schließlich starben in den von Friedensforschern erfassten 131 bewaffneten Konflikten des Jahres 2012 bis zu 1,15 Millionen Menschen.