nd-aktuell.de / 24.05.2013 / Kultur / Seite 15

Heimspiel für Wagner

Thielemann in Bayreuth

Roberto Becker

Überstanden ist das Wagner-Jahr noch lange nicht. Aber es hatte am 22. Mai, also am 200. Geburtstag des größten und problematischsten deutschen Musikgenies des 19. Jahrhunderts, seinen Mittelpunkt. Nachdem man sich am Vorabend in Leipzig und Dresden ziemlich staatstragend um Wagner bemüht hatte und in einem gewaltigen Rauschen des Blätterwaldes auch der Schattenseiten seiner Nach-Wirkung gedacht worden war, öffnete man in Bayreuth das Festspielhaus einfach schon mal vor dem Sommerevent für ein Ständchen der besonderen Art. Wobei sich die Fassadenfront beim Näherkommen als eine Art Prospekt entpuppte. Die Bauplanen mit Fassadenfoto sind allerdings eher die Kulisse einer Farce - das immer noch theaterreichste Land der Welt hat es nämlich fertig gekriegt, diesen Kulturtempel mit Weltgeltung bröckeln zu lassen.

Drinnen freilich gab es mit dem ersten Akt der Walküre, Tristan-Vorspiel und Liebestod, Siegfrieds Rheinfahrt und Trauermarsch sowie dem Meistersinger-Vorspiel als Sahnehäubchen genau das auf der Hand liegende Schmankerl-Programm, das hierher passt und das die Fangemeinde hören wollte. Sie bekam es auf luxuriösem musikalischem Niveau! Denn das Festspielorchester und Dirigent Christian Thielemann hatten auf der Bühne Platz genommen, spielten also mal nicht für die Zuschauer unsichtbar im berühmten verdeckten Graben, sondern im Lichte. Und was man sah, das hörte man auch: einen faszinierend transparenten und sich doch rundenden Klang, wie er sich nur hier in Wagners eigenem Theater entfalten kann. Thielemann und seine vokale Verstärkung (Johan Botha als Siegmund, Kwangchul Youn als Hunding und Eva Maria Westbroek als Sieglinde und Isolde) fanden die richtige Balance, um aus der Ausnahmeakustik auch in dieser Platzierung Kapital zu schlagen.

Unten in der Stadthalle Bayreuth gab es dann noch eine richtige Party. Bei der Heldentenor Klaus Florian Vogt zeigte, dass sein Walther von Stolzing und sein Lohengrin auch mit Klavierbegleitung ein Hochgenuss sind. Und mit schön weit auseinandersitzenden Wagner-Nachkommen. Enkelin Verena (92) und die Wieland-Töchter am einen Ende des Saales, die regierenden Töchter Wolfgangs im Rang.