Freiwillig rücken sie nichts raus

Willi Baer über den "Klassenkrieg"

  • Willi Baer
  • Lesedauer: 3 Min.

Es herrscht »Klassenkrieg« und es sei seine Klasse, die »Klasse der Reichen«, die diesen Krieg führt, so Warren Buffett. Der Mann weiß, wovon er spricht. Mit rund 60 Milliarden Dollar Privatvermögen gehört er - trotz mancher »Wohltätigkeit« - zum Generalstab der kriegführenden Partei. Deren Truppen stehen auch hierzulande, sie haben Namen und Adressen: Quandt, Klatten, Mohn, Otto - die Liste lässt sich beliebig erweitern.

Die Nettovermögen der reichsten zehn Prozent in diesem Land wachsen jede Sekunde um 10 000 Euro, während gleichzeitig Kinder- und Altersarmut exponentiell zunehmen. Die Staatsverschuldung wächst jede Sekunde um mehr als 600 Euro und hat mittlerweile die Billionengrenze überschritten, während die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister Milliarden an die Aktionäre maroder Banken überweisen, da diese systemrelevant seien. Da haben Frau Merkel und Herr Schäuble recht. Diese Zockerbuden sind systemrelevant, denn auf ihrer Verfassung und nicht dem Grundgesetz basiert dieser Staat.

Die Kanzlerin verkündet, es gebe zur Politik ihrer Regierung keine Alternative. Wir wären gut beraten, diese Lüge zu demontieren. Während Merkel, Schäuble, Steinbrück und Trittin von zu schaffender Steuergerechtigkeit sprechen, wechselweise die Kavallerie ausschicken oder den Sumpf der Steuer-Oasen trocken legen wollen, entziehen die hier ansässigen Konzerne dem Land mit Segen der gleichen Leute jährlich mehr als 100 Milliarden Euro Steuern durch »flexible Betriebswirtschaft«, oder neudeutsch: legale Steuervermeidung. Gesorgt hat dafür eine rot-grüne Koalition mit der gesetzlichen Deregulierung des Finanzmarkts und einer radikalen Absenkung der Unternehmenssteuern.

Merkel und Schäuble haben dieses Instrumentarium in den vergangenen vier Jahren auf europäischer Ebene perfektioniert. Die rund 1000 Milliarden Euro, die den europäischen Staaten so jährlich verloren gehen, entsprechen dem EU-Budget der nächsten sechs Jahre. Zahlten die Konzerne ihre Steuern, gäbe es in Europa keine Schuldenkrise, würden in Griechenland keine Familien durch Polizeitruppen aus den Wohnungen geworfen, in Spanien nicht Tausende Jugendliche in die Verelendung gejagt, würden hierzulande nicht arbeitslose Menschen in Jobcentern ihrer Würde beraubt. Diese astronomische Summe verschwindet jedoch nicht im anonymen »Markt« - sie landet jedes Jahr in den Taschen einer übersichtlichen Zahl von Aktionären. Freiwillig geben sie keinen Cent aus ihrer Schatulle und ihre Sachwalter in Parlamenten und Amtsstuben in Berlin oder Brüssel werden sich hüten, ihnen zu nahe zu treten. Würden wir uns auf Merkel und Schäuble oder auf deren Ersatzbataillon Steinbrück und Trittin verlassen in der Hoffnung, es werde alles besser, weil es schlimmer nicht kommen könne, könnten wir ebenso gut zur Vermeidung eines natürlichen Todes Selbstmord begehen.

Marx bezeichnete das Kapital als scheues Reh. Mittlerweile hat es sich vom Bambi in eine Bestie verwandelt, die alles ihrem unstillbaren Hunger unterwirft. Appelle und Petitionen helfen da nicht. Hier ist kein Artenschutz gefordert, sondern die Eröffnung der Jagdsaison. Wir müssen uns vom »Geist geistloser Zustände« verabschieden, nicht auf Brosamen des Zockerwesens spekulieren, sondern Solidarität erlebbar machen. Nur so wird Widerstand möglich - und kann erfolgreich sein.

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