nd-aktuell.de / 27.05.2013 / Politik / Seite 6

Kutscher-Monopoly im Bundestag

Umstrittener Parlamentsfahrdienst könnte Steuerzahler nach fragwürdiger Ausschreibung »um ein Vielfaches« mehr kosten

Julius Fromm
Nur zwei Unternehmen sollen sich bei der Ausschreibung des Bundestagsfahrdienstes beworben haben. Der bisherige Anbieter wird wohl das Rennen machen und kassiert dafür vermutlich mehr Geld als bisher.

Hinter den dicken Mauern des Berliner Reichstages zockt die Bundespolitik gegenwärtig still und heimlich um die Zukunft des externen Abgeordneten-Fahrdienstes. Grund des Kutscher-Monopolys hinter verschlossenen Türen, bei dem sich bisher kaum ein Akteur in die Karten schauen lässt, ist der auslaufende Vier-Jahres-Dienstleistungsvertrag zwischen der auftraggebenden Bundestagsverwaltung und dem Berliner Fahrdienstleister RocVin GmbH. Bis Ende Juli noch rollen die schwarzen Edel-Karossen der Rufbereitschaft des Bundestages vor. Spätestens dann, sieben Wochen vor der Bundestagswahl, muss die Entscheidung darüber gefallen sein, welches Unternehmen die Volksvertreter bis 2017 durch die baustellengeplagte Hauptstadt chauffieren wird.

Längst ist das Pokerspiel um den Millionen-Auftrag aus Steuergeldern auf der Zielgeraden. Laut letztem Spielstand habe RocVin zum wiederholten Male das Rennen gemacht, erklärten informierte Kreise zum Stand der Fahrdienst-Ausschreibung auf nd-Anfrage. Nur der Ältestenrat, geschäftsführender Ausschuss im Parlament unter Leitung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), müsse dem Ergebnis noch zustimmen. Frühestens in der ersten Juni-Woche könnte die Regierungsmehrheit einen Beschluss fassen, nachdem vor Pfingsten eine Entscheidung auf die nächste Sitzungswoche verschoben worden war. Bis dahin brodelt die Gerüchteküche im Bundestag weiter. Denn stimmen Hinweise, so stinkt die Ausschreibung gewaltig. Nur ein Mitbewerber habe seinen Hut in den Ring geworfen, wird auf den Parlamentsfluren gemunkelt. Dessen Bewerbung aber rieche stark nach Strohmann. Kaum ernst zu nehmen sei dessen Angebot gewesen. Darum auch sein schnelles Ausscheiden, wird gemutmaßt.

2012 war alles noch seinen geregelten Lauf gegangen. Das Bundestag-Referat für Vergaben hatte den ersten Schritt gemacht und den entsprechenden Vertrag nach allen Spielregeln des Vergaberechts ins Rennen geschickt. Die Anforderungen sind hoch: Über 155 000 Fahrten mit 1,5 Millionen Kilometern im Jahr, 120 schicke Wagen gehobener Mittelklasse, Baujahr nicht älter als zwei Jahre, genug Personal, eigene Meldezentrale und Erreichbarkeit rund um die Uhr.

Lachender Gewinner wäre der bisherige Anbieter RocVin. Das umstrittene Unternehmen, viele Fahrer verdienen mangels Stunden und Niedriglöhnen nur knapp 950 Euro im Monat, oder kommen mit Zweitjobs oder Sozialleistungen über die Runden, hatte die Ausschreibung zuletzt 2009 an Land gezogen. Das große Geld machte die Firma mit Autohandel, der Fahrdienst war jahrelang ein Zuschussgeschäft. 2010 folgte eine Betriebsaufspaltung. Seitdem werden die Edelkarossen von einer separaten Firma vertrieben. Auch ein Call-Center und Limousinendienst gehören zum Firmengeflecht. Deren Inhaber servieren dem Steuerzahler jetzt die Rechnung. Zwar darf Lammert keine Zahlen nennen. Doch könnten die Kosten die bisherigen Ausgaben »um ein Vielfaches« übersteigen, wird der CDU-Mann zitiert.

In Bonn hatte das Parlament einen eigenen Fahrdienst. Das Märchen der Kostenentlastung öffentlicher Kassen durch Out-Sourcing an Private wäre zu Ende geträumt. Fast scheint es, als habe RocVin Konkurrenten mit seinem Autohandel über Jahre an die Wand gespielt, um dem Bundestag jetzt die Preis-Pistole auf die zitternde Politikerbrust zu setzen.