Das Kreuz mit dem Kodex

Ingolf Bossenz über den Umgang der katholischen Kirche mit Mordtaten

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 1 Min.

Ego te absolvo. Wenn der Freispruch von den gebeichteten Sünden verkündet ist, geht es munter weiter mit dem Bösen. Kreuz und Knarre - man kennt das aus Mafiafilmen. Leider steht dahinter eine verbrecherische Wirklichkeit, die bis heute Opfer fordert. Immerhin sprach die katholische Kirche jetzt erstmals ein solches Opfer selig: Der 1993 von der sizilianischen »Cosa Nostra« ermordete Priester Pino Puglisi wurde als »Märtyrer des Glaubens« geehrt. Er hatte gegen die Mafia gepredigt und die Jugend aufgefordert, sich von ihr abzuwenden.

Bemerkenswert ist indes nicht nur der Vorgang, sondern vor allem der Kommentar des Erzbischofs von Palermo während der Zeremonie in der Hafenstadt. Kardinal Paolo Romeo meinte nämlich, Mafiabosse könnten nicht als Mitglieder der katholischen Kirche anerkannt werden, selbst wenn sie sich für religiös erklärten. Die von ihnen begangenen Morde zeigten ihr wahres Wesen. Das klingt durchaus vernünftig. Nun ist Vernunft nicht gerade der höchste Leitstern Roms. Denn im geltenden Kodex des kanonischen Rechts ziehen zwar Taten wie Abtreibung oder Apostasie (Glaubensabfall) die automatische Exkommunikation nach sich, Mord indes nicht. Auch die blutigsten Katholiken unter den Diktatoren wurden - siehe Hitler - nie exkommuniziert. Vielleicht signalisierte ja Kardinal Romeo eine Wende. Oder er hat sich einfach versprochen.

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