Leihstimmen für Steinbrück?

  • Ernst Röhl
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Sparkurs der deutschen Kanzlerin trägt europaweit Früchte. In Portugal verhängt der Finanzminister Haushaltssperren ohne Ende, hier bringen patriotische Beamte sogar schon privates Klopapier mit ins Büro. Vielleicht ist dies ja noch nicht der Sieg über die Eurokrise; ein Schritt in die richtige Richtung ist es aber allemal. In Deutschland dagegen, im münsterländischen Dülmen, glückte es einem Kunden, seinen Einkauf an der Supermarktkasse mit einem frisch gepressten 30-Euro-Schein zu bezahlen. Er hatte einen Zwanziger computergestützt zu einem täuschend ähnlichen Dreißiger aufgehübscht, und die Kassiererin wird sich gedacht haben, der Bundesfinanzminister hätte den Schein an die steigenden Strompreise angepasst.

Eine solche Anpassung ist längst fällig, der Wähler wartet darauf ebenso geduldig wie vergebens. Auch darauf. Je länger die Legislaturperiode des Bundestags dauert, desto länger werden die Gesichter des Volkes. Und desto mehr fällt auf, dass die Damen und Herren von der schwarz-gelben K.o.alition nicht allzu viel gekonnt haben. Mit Lohndumping, Niedriglohnexzessen und Mövenpick-Aktionen geben sie ihr Bestes, die Millionärsdichte in Deutschland weiter zu verdichten. Darum kommt eine Erbschaftssteuer überhaupt nicht in die Tüte. Frag’ nicht, Milliardär, was du für dein Land tun kannst, frag’ immer, was dein Land für dich tun kann! Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest sprechen sich drei Viertel aller Deutschen dafür aus, Leute mit dicken Vermögen stärker zu besteuern. Dieser demokratische Wunsch einer einzelnen Mehrheit jedoch kann die Kanzlerin der Reichen und Schönen nicht erschüttern. Ihr ist offenbar nicht peinlich, dass Deutschland sowohl ein Paradies der Altersarmut als auch ein Dorado der Suppenküchen und Lebensmittel-»Tafeln« ist.

Bald sind wieder Wahlen, darum konzentriert der Volksvertreter sein Interesse auf einen lukrativen Posten und hat gar keine Zeit mehr, nebenbei noch das Volk zu vertreten. Die Mieten steigen in kriminellem Tempo - egal. Statt zu handeln, macht die Regierung sich lächerlich mit Gesetzen wie Kristinas Herdprämie, obwohl noch immer 220 000 Kita-Plätze fehlen. Doch Muttis Wortbruch ist für die Sprechblasenfacharbeiter der Medien überhaupt kein Thema, die kurbeln lieber den Merkel-Personenkult an.

Bayerische Leistungsträger und Steuergroßhinterzieher machen in dieser Polit-Seifenoper ihr Glück: Cash in the Täsch ist the name of the game. Den SB-Amigos im Münchner Freibier-Parlament gelingt das am besten. In Bayern ist es längst eine liebenswerte Tradition, Urgroßmutter, Großmutter, Mutter, Bruder und Cousin als »Mitarbeiter« im eigenen Parteibüro zu beschäftigen. Sogar CSU-Fraktionschef Georg Schmid, der von Amts wegen Vettern- und Spezlwirtschaft unterbinden sollte, hatte das seine Frau bei sich selber angestellt - für Steuerzahlergeld in Höhe von 5500 Euro pro Monat. Der Bock als Gärtner - so sollte er heißen, der nächste Schwank beim traditionellen Starkbier-Derblecken im Paulaner am Nockherberg.

Was sagt zu alldem die SPD mit ihrem beklagenswerten Problem-Peer an der Spitze? Sie schweigt und denkt über die Rente mit 76 nach. Sie hat sooo viele Wünsche, nur den Wahlsieg will sie ums Verrecken nicht. Um sicher zu gehen, dass sie nicht mal aus Versehen gewinnt, hat sie sogar ein Impotenzteam aufgestellt. Und nun betet sie Tag und Nacht zu Lassalle, dass ihr die LINKE um Himmels willen keine Leihstimmen unterjubelt.

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