nd-aktuell.de / 29.05.2013 / Politik / Seite 12

Kulturtermine in der Leichenhalle

In Göttingen wurde ein früheres Friedhofsgebäude zur gefragten Ausstellungsstätte

Kai Böhne
Für ausgediente Leichenhallen gibt es keine weitere Verwendung, sollte man meinen. Doch weit gefehlt! Im niedersächsischen Göttingen entstand in einem solchen Gebäude eine Austellungs- und Begegnungsstätte.

Das östliche Torhaus an der Nordseite des Göttinger Stadtfriedhofs, ursprünglich als Leichenhalle gebaut, wurde seit 2003 nicht mehr genutzt - auf dem Friedhof sind derzeit nur Urnenbeisetzungen möglich. Norbert Mattern, der frühere Fachbereichsleiter für Stadtgrün, Friedhöfe, Umwelt und Stadtforst, war der Ideengeber für ein neuartiges Nutzungskonzept. Mattern wollte das unter Denkmalschutz stehende östliche Torhaus an der Kasseler Landstraße herrichten lassen und als Ausstellungsraum und Begegnungsstätte nutzen.

Mattern gewann Mitstreiter und Unterstützer beim Göttinger Verschönerungsverein und beim Initiativkreis Torhaus-Galerie. Aus Mitteln der Stadt Göttingen und Spenden wurde das Torhaus für über 20 000 Euro saniert. »Einige ab 2007 testweise durchgeführte Ausstellungen mit Engels- und Landschaftsfotografien der Göttinger Künstlerin Astrid Nolte erfreuten sich steigenden Zuspruchs. Der Erfolg bestärkte uns in unserer Planung«, sagt Mattern. Im November 2011 hielt der Göttinger Chemie-Nobelpreisträger Professor Manfred Eigen den Vortrag zur Eröffnung des Torhauses und zur Ausstellung »Energiewände« mit Bildern des Malers Dietmar Robert Schröter. »Wir waren überwältigt von dem Andrang«, erinnert sich Norbert Mattern. »Damit hatten wir nicht gerechnet.« Es kamen rund 250 Besucher zur Vernissage. Weitere Ausstellungen folgten.

Das Gebäude der heutigen Torhaus-Galerie hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Die zwei Torhäuser an der heutigen Kasseler Landstraße wurden nach Angaben der Göttinger Historikerin Sylvia Möhle mit der Eröffnung des Stadtfriedhofes im Jahr 1881 errichtet. Das östliche Torhaus, ursprünglich als Leichenhaus erbaut, wurde zunächst auch als Kapelle verwendet. In den 1970er Jahren nutzte die Friedhofsverwaltung die Räumlichkeiten. Danach stand das Torhaus einige Jahre leer. Seit Mitte der 1980er Jahre bis zum Jahr 2003 diente das Torhaus als städtischer Büroraum.

Auch für das laufende Jahr hat der Initiativkreis Torhaus-Galerie einiges geplant: Noch bis zum 7. Juli werden Holzschnitte des Tübinger Künstlers Heiner Bauschert ausgestellt. Nach der Sommerpause ist im September und Oktober die Gemeinschaftsausstellung »Begegnung« mit Bildern des irischen Malers Fintan Whelan und Skulpturen der Göttinger Künstlerin Regina Korbel vorgesehen. Ab November ist die Installation »Licht und Weg« von Astrid Nolte geplant.

»Bei Ausstellungen ohne Skulpturen im Rauminnern können wir die Halle bestuhlen«, erklärt Norbert Mattern. »Diese Möglichkeit wollen wir im Juni - im Rahmen der Holzschnitte-Ausstellung - erstmals für zwei Lesungen nutzen.« Am Sonntag, den 9. Juni referiert Oberstaatsanwalt Wilfried Ahrens über »Stilistische Gräberstätten - Justitias heitere Seite«. 14 Tage später, am Sonntag, den 23. Juni berichtet der Schriftsteller Wolfgang Bittner »Als ich nach Göttingen kam...«.

Informationen im Internet unter: www.goettingen.de;[1] Tel.: 0551-400-5216

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  1. http://www.goettingen.de;