Im Land der aufgehenden Melone

12 000 Euro für eines der ersten Exemplare der Saison

  • Susanne Steffen, Tokio
  • Lesedauer: 3 Min.
12 000 Euro sind auf einer Auktion in Japan für die ersten Yubari-Melonen des Jahres bezahlt worden. Ein viel versprechender Auftakt für die Sommer-Geschenke-Saison, für die sich Japans Obstbauern die wunderlichsten Kreationen ausdenken.

Das Auktionshaus ist proppevoll, die Händler stehen dicht an dicht, umringt von TV-Kameras. Nach fünf Minuten ist alles vorbei. »1,6 Millionen Yen!«, brüllt der Auktionsleiter und strahlt über beide Ohren. Das sind 12 000 Euro. Es ist das drittbeste Auktionsergebnis, seit es Yubari-Melonen gibt - eine Kreuzung aus verschiedenen Cantaloupe-Sorten mit besonders zartem, orangefarbenem Fruchtfleisch. Die Cantaloupe-Melone ist eine Variante der Zuckermelone.

Die Melonen tragen den Namen der Stadt Yubari im ländlichen Nordjapan, die kurz nach der Jahrtausendwende als erste bankrotte Stadt der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt Schlagzeilen machte. Die Melonen der Pleitestadt blieben aber weiterhin ein Wahrzeichen für kulinarischen Luxus. Zwar ist der stolze Preis kein Vergleich zu den knapp 19 000 Euro, die die ersten beiden Edelmelonen des Jahres 2008 erreicht haben. Angesichts des schlechten Wetters im Frühling und deshalb eher mickrigen Früchtchen ist das dennoch eine Überraschung für die Melonenbauern aus Yubari. »Mit so einem Preis haben wir nicht gerechnet. Das ist ein gutes Omen für die Saison«, freut sich der Leiter der Melonenbauernvereinigung. Auch Bürgermeister Naomichi Suzuki sieht ein gutes Omen für die Zukunft der Kleinstadt. »Der Preis ist ein super Lob für unsere Melonen«, twitterte der 32-Jährige, nachdem er noch im Auktionssaal Werbung für das Top-Produkt der ehemaligen Bergarbeiterstadt gemacht hatte. Suzuki ist erst vor wenigen Wochen vom World Economic Forum für die erlesene Gruppe der »Young global leaders« auserkoren worden. Er hofft, seine bankrotte Stadt mit Hilfe der teuersten Melonen der Welt wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen.

Mit 18 Millionen Euro Umsatz rechnen die rund 150 Yubari-Melonenbauern in dieser Saison. In Japan werden Geschäftspartner und immer häufiger auch Freunde und Familie zweimal im Jahr, einmal im Winter und einmal im Sommer, beschenkt. Neben Dosenbier in speziellen Geschenkboxen gehören wunderschön symmetrische Edelfrüchte wie die Yubari-Melonen zu den beliebtesten Mittsommergeschenken. Fünfstellige Preise erzielen aber nur die ersten Früchte der Saison. In Kaufhäusern werden die »Yubari Kings«, so der offizielle Markenname, für 50 bis 150 Euro pro Stück angeboten. Mit einem goldglänzenden Herstelleraufkleber und aufwändig verpackt in mit Tüchern ausgelegten teuren Holzkisten finden sie trotz des stolzen Preises in jedem Jahr reißenden Absatz. Genauso wie perfekt geformte Erdbeeren und Weintrauben, die ebenfalls liebevoll dekoriert und - wegen des stolzen Preises - nur in homöopathischen Mengen feilgeboten werden.

Immer mehr Japanern sind perfekte Formen und Farben noch nicht extravagant genug. Die Obstbauern des Landes lassen sich deshalb in jedem Jahr eine neue Skurrilität einfallen, um die ohnehin hohen Obstpreise noch weiter in die Höhe zu treiben: Quadratische Wassermelonen, herzförmige Zitronen und sternförmige Gurken. Der neueste Marketing-Gag: Hello-Kitty-Melonen mit eingraviertem Kitty-Gesicht. Die Gravuren werden in einem frühen Wachstumsstadium gemacht, damit es später so aussieht, als sei das niedliche Katzengesicht »ganz natürlich« in der Schale entstanden. Stolzer Preis: 38 Euro pro Stück. Yubari-Bürgermeister Suzuki hofft, den Wert seiner Edelmelonen noch zu steigern. Seit Neustem gibt es deshalb auch Popcorn mit Yubari-Melonengeschmack.

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