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Ungleichheit ist Alltag: Männer haben Rollenstress

Gut Ausgebildete sind weniger krank

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Techniker Krankenkasse legt ihren Gesundheitsbericht 2013 vor. Darin untersucht sie erstmals den Zusammenhang von Arbeitsverhältnis und Psychostress.

Die Zahl der psychisch bedingten Krankheitstage ist seit 2006 enorm gestiegen. Die Techniker Krankenkasse (TK) spricht in ihrem neuen Gesundheitsbericht 2013 von 75 Prozent. Die Diskussionen um die Trenddiagnose Burn Out, um Depression und stressbedingte Erkrankung sind umstritten, der enorme Anstieg ist jedoch Fakt.

Es gehe nicht nur um Salatbar und ergonomischen Bürostuhl, sagte der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas am Dienstag in Berlin. Für den Bericht wurden die Daten von 3,9 Millionen abhängig Beschäftigten und ALG-I-Beziehern ausgewertet. Ein Ergebnis: »Sind Arbeitsverhältnisse befristet oder ist die finanzielle Situation aufgrund von Teilzeit oder Leiharbeit angespannt, belastet das die Betroffenen«, so Baas. Darum müsse die gesamte Lebenssituation in den Fokus rücken. Erstmals hat die TK sich den Zusammenhang von Arbeitsverhältnissen und Krankentagen angesehen. Dabei sticht heraus: Männer in Teilzeit sind zwar insgesamt weniger krank als Männer, die in Vollzeit arbeiten. Sie haben jedoch deutlich mehr Fehltage aufgrund psychischer Diagnosen als ihre Vollzeitkollegen. Die Gründe dafür erfasst die Studie jedoch nicht. Ob nun der Mann wegen Krankheit in Teilzeit gewechselt hat oder später erkrankt ist oder ob es eine freiwillige oder unfreiwillige Teilzeit war, sagen die Zahlen nicht aus. Nach Studien der Hans-Böckler-Stiftung sind Frauen deutlich häufiger freiwillig in Teilzeit, Männer möchten Vollzeit arbeiten.

»Rollenstress« könnte eine Begründung für die häufigen psychischen Erkrankungen bei Männern in Teilzeit sein, sagt die Geschlechter- und Arbeitszeitforscherin Christina Klenner vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. »Männer, die unfreiwillig in Teilzeit arbeiten, können die gewohnte Rolle nicht ausfüllen.« Dazu gehöre Vollzeittätigkeit, ein entsprechendes Einkommen nebst der Identifikation mit dem Beruf sowie der Anspruch, Haupternährer der Familie zu sein, was wiederum die Machtverhältnisse innerhalb der Beziehung beeinflusst.

Klenner spricht von der fortwirkenden Tradition des »dominanten männlichen Familienernährers«. Wenn Männer zudem in arbeitsmarktbedingter Teilzeit arbeiten, die nur ein geringes Einkommen einbringt, »wenn also eine insgesamt prekäre Situation vorliegt«, könne das auf Dauer zu stressbedingten Erkrankungen führen.

Ein anderer Punkt ist, dass Ausbildungsgrad und psychische Erkrankungen in einem Zusammenhang stehen: So waren Ungelernte 2012 durchschnittlich 18,7 Tage krank, Meister dagegen nur 12,4 und Promovierte 6,5 Tage.

Die Sozialwissenschaftlerin Elke Ahlers vom WSI sagt: »Ausbildung an sich hat vermutlich weniger Einfluss auf Fehlzeiten. Mit gestiegenem Ausbildungsgrad gehen aber anspruchsvollere Tätigkeiten einher. Je mehr Entscheidungsspielräume ein Beschäftigter oder eine Beschäftigte über die Gestaltung des eigenen Arbeitstages hat, desto weniger stressanfällig sind sie.« Die Kehrseite der Medaille: Präsentismus - Arbeiten trotz Krankheit. Dieses Phänomen sei besonders bei Hochqualifizierten verbreitet - bei Führungskräften, IT-Spezialisten oder Unternehmensberatern. »Im Sinne der Fehlzeitenstatistik gelten sie als gesund, es steigt aber die Gefahr langwieriger Erkrankungen bis hin zur Frühverrentung.«

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