nd-aktuell.de / 07.06.2013 / Politik / Seite 1

Erdogan beschimpft Demonstranten als »Terroristen, Anarchisten und Vandalen«

Erneut Zehntausende gegen türkische Regierung auf der Straße / AKP-Anhänger drohen bei Jubel-Kundgebung: »Lasst uns sie alle zerquetschen«

Berlin (Agenturen/nd). Nach seiner Rückkehr aus Nordafrika hat sich der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan von Tausenden Anhängern seiner islamisch-konservativen AKP-Partei feiern lassen. Dabei griff er die seit Tagen gegen ihn und seine Regierung laufenden Proteste scharf an. Die Demonstrationen hätten ihre „demokratische Glaubwürdigkeit verloren und sich zum Vandalismus gewandelt“.

Der Polizei dankte Erdogan, sie sei ein „Bollwerk gegen Terroristen, Anarchisten und Vandalen“. Erdogan hatte bereits bei einem Besuch in Tunis erneut den Vorwurf erhoben, Linksradikale steckten hinter den Protesten. „Unter den Demonstranten gibt es Extremisten, einige sind mit dem Terrorismus verbunden.“

Die Anhänger Erdogans schwenkten am Atatürk-Flughafen türkische Flaggen und skandierten Parolen wie „Wir würden für Dich sterben, Erdogan!“ oder „Lasst uns sie alle zerquetschen.“ Die Nachrichtenagentur AFP berichtet von mehr als 3000 Teilnehmern bei der Jubel-Kundgebung, bei der dpa heißt es, es hätten rund 10.000 Anhänger Erdogans daran teilgenommen.

Die Türkei sieht sich seit einer Woche einer beispiellosen Protestwelle gegenüber. Die Demonstrationen hatten am vergangenen Freitag nach einer gewaltsamen Polizeiaktion gegen Umweltschützer begonnen, die ein Bauprojekt in einem Park in Istanbul verhindern wollten. Seitdem weiteten sich die Proteste auf das ganze Land aus und wandten sich zunehmend gegen die Regierung Erdogan, der die Demonstranten einen autoritären Regierungsstil und Bemühungen zur Islamisierung der Gesellschaft vorwerfen.

Unterdessen setzten die Gegner Erdogans ihre Proteste in mehreren Provinzen des Landes fort. In Istanbul waren in der Nacht wieder Zehntausende rund um den Taksim-Platz auf den Straßen. Die Türkische Polizei hatte in den vergangenen Tagen auch mehrere Ausländer festgenommen. Die Zeitung „Radikal“ meldete, unter den Festgenommenen seien Studenten des Erasmus-Programms der Europäischen Union.