Zu viel Vertrauen in den Doktor

Hauptstadtkongress diskutierte Einflüsse auf Berichterstattung zu Gesundheitsthemen

  • Thomas Klatt
  • Lesedauer: 3 Min.
Schreiben Journalisten über Gesundheitsthemen sind die Lobbyisten der Pharmaindustrie oft nicht weit. Geht bei der Berichterstattung alles mir rechten Dingen zu?

Das Verhältnis zwischen Medien und Medizin darf als angespannt gelten. Einerseits werden immer wieder Skandale in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder bei Pharmafirmen aufgedeckt. Andererseits braucht die Gesundheitswirtschaft die Journalisten, um ihre Produkte und Angebote in den Medien zu platzieren. Jetzt hat in Berlin der große Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit stattgefunden.

Die studierte Biologin Juliane Rossius arbeitet seit gut 30 Jahren im Medizin-Journalismus, derzeit als Fernsehredakteurin beim Gesundheitsmagazin Praxis des rbb. Unter Druck gesetzt fühlt sie sich bei ihrer Themenfindung nicht, auch wenn manche Lobbyisten und Interessenvertreter massiver auftreten sollten. Zumindest hat sie es noch nicht erlebt, dass Pharmavertreter bei ihr persönlich anklopften oder sie zu lukrativen Presse- und Informationsreisen einluden. Schwieriger sei es viel mehr, gerade im Medizinbereich konträre Interviewpartner zu finden. »Zum Beispiel wenn es um Medizinprodukte geht. Wie sieht so ein Hüftgelenkersatz wirklich aus? Wieso haben Kliniken nicht immer alle Modelle vorrätig? Da müssen wir noch mal einen Kritiker zu Wort kommen lassen. Aber das ist nicht leicht, weil die weiße Zunft sich nicht untereinander kritisiert«, weiß Rossius. Das Feld des Medizin- und Gesundheits-Journalismus ist nicht klar abgegrenzt. Etwa 1000 bis 3000 Kollegen beschäftigen sich regelmäßig mit Therapien, Pillen, Kuren und Schönheitsoperationen, schätzt der Dortmunder Journalistik-Professor Holger Wormer ein.

Den meisten von ihnen fehle eine kritische Distanz zur Materie und zu ihren Interviewpartnern. Oft würden sich Journalisten allein nur mit einer Meinung zufrieden geben. Den »Göttern in Weiß« werde immer noch zu viel Vertrauen entgegengebracht und deren Expertisen wenig hinterfragt.

»Viele Journalisten neigen dazu, dem Mediziner oder dem Herrn Professor eher etwas zu glauben, als wenn sie zum Beispiel mit einem Politiker sprechen«, sagt Wormer, der an der Uni Dortmund das medizinkritische Portal medien-doktor.de betreibt. Klinisch-wissenschaftliche Studien würden zu selten danach befragt, welche Unternehmen diese zumindest kofinanziert haben. Natürlich sei es nicht so, dass Pharmavertreter nun wie in den Arztpraxen permanent die Redaktionen aufsuchten. Aber die Beeinflussung finde oft unterschwelliger statt. »Wenn ich ein neues Mittel gegen Diabetes habe, dann schicke ich nicht eine plumpe Pressemitteilung an die Journalisten, sondern dann sorge ich dafür, dass das Thema Diabetes insgesamt in den Medien eine größere Rolle spielt. Und dann wird ein Journalist bei seiner Recherche ganz nebenbei auf das neue Medikament stoßen und dann indirekt darüber berichten«, erklärt Holger Wormer. Wolfgang van der Bergh, Chefredakteur der Ärztezeitung, gibt zu, dass gerade im werbeabhängigen Printjournalismus die freie Berichterstattung zumindest gefährdeter ist. Es komme gerade bei anzeigenfinanzierten Blättern immer wieder zur Gratwanderung zwischen seriösem und gekauftem Journalismus. Auch müsse jeweils klar gekennzeichnet sein, was die journalistischen Texte sind und welche Informationen oder welches Bildmaterial extern etwa von Firmen beigesteuert wurden.

Allerdings sind van den Bergh keine Beispiele bekannt, dass das Wohlwollen der Medizinjournalisten durch großzügige Presse- und so genannte Fortbildungsreisen erschlichen wird. Und beim Thema Moderation gebe es zumindest bei der Ärzte Zeitung klare Richtlinien. Medizinjournalisten sollten zumindest für Pharma-PR nicht zur Verfügung stehen.

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