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Jugendarrest für Aufruf zur Selbstjustiz

Irrtümlich Beschuldigter im Mordfall Lena attackiert

  • Normann Berg, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach dem Mord an der elfjährigen Lena aus Emden ist ein 19-Jähriger am Dienstag zu zwei Wochen Jugendarrest wegen des Aufrufs zu einer Straftat verurteilt worden. Das Amtsgericht Aurich sprach den Auszubildenden unter Ausschluss der Öffentlichkeit schuldig. Ende März 2012 rief er über das Internet zur Selbstjustiz gegen einen jungen Mann auf. Dieser war nach dem Mord an der Schülerin irrtümlich unter Verdacht geraten und verhaftet worden.

»Ich denke, er wird das Urteil akzeptieren und keine Rechtsmittel einlegen«, sagte Gerichtssprecher Ulrich Kötting. Angeklagter und Verteidigung wollten sich zunächst nicht äußern. Während des Prozesses habe der 19-Jährige aus Emden aber »die Tat eingeräumt« und sich »betroffen« über die Konsequenzen seines Handelns gezeigt, sagte Kötting. Das Gericht entsprach mit dem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte sich für eine Geldstrafe ausgesprochen.

»Ab zur Polizeiwache, lasst uns das Schwein mit Steinen beschmeißen«, hatte der Angeklagte, so die Staatsanwaltschaft, wenige Tage nach Lenas Tod auf seiner Facebook-Seite gepostet. Anschließend versammelten sich bis zu 50 Menschen vor dem Emder Polizeikommissariat, in dem der Verdächtige saß, und riefen Sätze wie: »Schickt das Schwein raus. Dann werden wir uns um ihn kümmern.« Zu Übergriffen kam es nicht. Kurz darauf erwies sich die Unschuld des Verhafteten.

Zum Prozessauftakt am Dienstagmorgen war die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden. Es überwiege der Schutzgedanke für den Angeklagten, so Jugendrichterin Maren Hohensee. Mögliche Nachteile für seine weitere persönliche und berufliche Entwicklung sollten damit vermieden werden. Der 19-Jährige lebe in einem geregelten familiären Umfeld und sei auch in seiner Ausbildung nicht negativ aufgefallen, fügte Kötting hinzu.

In einem ähnlichen Fall hatte das Emder Amtsgericht einen Jugendlichen vor einem Jahr zu zwei Wochen Arrest verurteilt. Er trat am Dienstag als Zeuge auf und bestätigte den Facebook-Eintrag des Angeklagten. »Die beiden kennen sich«, sagte Kötting: »Auch diese Verurteilung soll jedermann klar machen: Wir dulden keine Selbstjustiz.« Ist das Urteil rechtskräftig, wird der 19-Jährige seine Strafe in der Jugendarrestanstalt Emden absitzen. »Ohne Facebook, Handy und Fernseher. Erlaubt sind nur Bücher«, so Kötting.

Lenas Mörder war im November vor dem Landgericht Aurich wegen Mordes, versuchten sexuellen Missbrauchs und gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Der 19-Jährige kam in eine Psychiatrie.

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