nd-aktuell.de / 13.06.2013 / Kultur / Seite 15

Unrechtsstaat?

Leseprobe

Der Terminus »Unrechtsstaat« ist unter Historikern und Juristen gleichermaßen umstritten. Eine wissenschaftlich haltbare Definition des Begriffs gebe es weder in der Rechtswissenschaft noch in den Sozial- und Geisteswissenschaften, urteilte der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages im März 2009. Dennoch wird in politischen Diskussionen oft das Gegensatzpaar »Rechtsstaat − Unrechtsstaat« verwendet ....

Welche Einschätzungen dieser Problematik dominieren außerhalb Deutschlands? Diese Thematik diskutierten namhafte Wissenschaftler aus Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien und Polen mit deutschen Kolleginnen und Kollegen ... Einig waren sich die Beteiligten darüber, dass der Begriff »Unrechtsstaat« ein politischer Kampfbegriff sei, der sich für eine wissenschaftliche Analyse nicht eigne. Der »sehr deutsche Begriff« fände auch bisher keinen Eingang in die Sprachen der Teilnehmer und ließe sich nur umständlich übersetzen ...

Das Rechtssystem eines Landes besteht aus mehreren Elementen: Neben dem Straf-, Verwaltungs- sowie dem Verfassungsrecht existieren auch Arbeits-, Famuilien- und Zivilrecht, die für eine Bewertung ebenso relevant sind. Dies beachtend zog man eine kritische Bilanz des Rechtssystems der DDR. Durchaus modern ausgestatteten Rechtsgebieten wie dem Arbeits-, Zivil- oder Familienrecht stünden das Fehlen eines Verwaltungsrechts, der Mangel an Überprüfbarkeit staatlicher Entscheidungen mit Verfassungsrang sowie die nicht selten politisch motivierte Anwendung des Strafrechts gegenüber. Bärbel Bohleys bitteres Wort aus den frühen 90er Jahren »Wir wollten Gerechtigkeit und haben den Rechtsstaat bekommen« verdeutlicht, dass eine Schwarz-Weiß-Sicht auf staatliche Rechtssysteme nicht angebracht ist.

Aus dem Vorwort von Detlef Nakath und Dörte Putensen zu »Unrechtsstaat DDR? Sichtweisen in europäischen Nachbarländern« (Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg, 143 S., br., 11,90 €).